Laufgeschichten: Im Rhythmus von Windy City, Chicago

Jeder Armschwung fließt in den nächsten. Ich höre meinen eigenen Schritten zu. Die Bewegung folgt meiner Atmung. Ich folge meinem Gefühl. Aber nicht nur mein Körper gibt den Rhythmus vor. Jede Stadt schlägt für mich in ihrem ganz eigenen Takt, den ich nach einiger Zeit annehme. Chicago macht dabei nie eine Ausnahme. In keiner anderen Stadt war ich bis jetzt so häufig zu Gast wie in Windy City. Ein besonderer Ort mit zugleich lebendigem Metropolen- wie See-Charme. Das vibrierende Downtown in direkter Nachbarschaft zum großen Millennium Park mit seiner Cloud Gate Skulptur. Die alte Hochbahn, die ratternd im Loop Kreise fährt. Der berühmte Buckingham Fountain und der gerade rüber liegende Yachthafen. Der Navy Pier, eine Amüsier-Halbinsel, angrenzend an die lange Wasserpromenade im Schatten der Skyline. Ein Zoo, der fast in Old Town mündet.

Chicago ist eine Stadt der Kontraste, die mich zu jeder Tageszeit fasziniert und mit deren Takt ich bei meinem fünften Besuch besonders schnell eins wurde. Deshalb nehme ich dich zum Global Running Day mit an den Lake Michigan. Ich lasse dich Teil meiner letzten Läufe dort werden. Ich zeige dir die Museumsinsel zusammen mit dem Soldier Field und bringe dir die besondere Energie dieser Stadt näher.

Es ist dieser spezielle Takt einer Stadt, der einen Stadtlauf zu etwas Besonderem macht. Vielleicht könnte man es sogar den Herzschlag einer Stadt nennen. Egal wo ich bis meine Laufschuhe aus dem Koffer genommen habe, jede große und kleine Stadt hatte ihren eigenen Schwung. Hong Kong, Dubai, Moskau, Mailand, Paris, London, New York, San Francisco, San Diego, Kailua-Kona, Honolulu,… Vermutlich ist es gar nicht der Laufschritt, der sich verändert. 

Man bewegt sich in und mit einer Stadt. 

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Bloggerin und Triathletin Nadin laufend am Lake Michigan in Chicago Laufen Tipps Reiseblog

Selten lief ich in Chicago quer um die Blöcke, wo ich für meine Aufenthalte wohnte. Wenn doch war es vor 9 Uhr morgens so unglaublich ruhig, dass es unheimlich war. Während es tagsüber hektisch und zappelig zuging. Unten direkt am See und entlang der Parks und Promenade zeichnete sich ein ganz anderer Rhythmus ab. Bereits vor Sonnenaufgang versammelten sich dort die Menschen verschiedener Sportarten. Sowohl am als auch im Wasser, wenn es das Wetter zuließ. Die Läufer rauschten dahin und zogen mich mit. 

Chicagoer sind hartgesotten. Sie laufen in Mini Top oder in kurz kurz, wenn ich noch das Gefühl habe, weggepustet zu werden. Aber die Sommer in der so südlich wie Rom gelegenen Stadt ist genau meins. Es weht eine zumeist kühle Brise vom Lake Michigan herüber. Auch er gibt wieder den Takt vor. Denn ich wurde in diesem angenehmen Wind auch bei meinen Sightseeing Läufen jedes Mal schneller. 

Auf dem Weg zum Lake Michigan durchlief ich die Parkanlagen Formal Gardens und Upper Hutchinson Field südlich von Downtown. Ich überquerte breite Brücken, die über Bahnschienen führen, damit ich in den Grand Park gelangen konnte. In zwei Unterführungen für Fußgänger und Radfahrer hörte ich meinen Laufschritt. Das ließ Erinnerungen an die Stille und tausende Füße beim Chicago Marathon aufkommen, die dieses wunderbare Klackgeräusch machen. Schritt für Schritt im Gleichklang. 

Unten am See angekommen, ließ ich die Skyline hinter mir. Mit jedem Meter wurden die Glasbauten kleiner und kleiner. Dafür erhob sich der Museums Campus so wunderbar vor mir, der unteranderem das Sied Aquarium, Field Museum und Soldier Field umfasst. Auf der vorgelagerten Museumsinsel am östlichsten Zipfel befindet sich das Adler Planetarium, das auch unbedingt einen Besuch lohnt. Aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal!

Die noch unglaublich warme Nachmittagssonne sorgte dafür, dass ich meinem Schatten hinterherlaufen musste. Anders als am Morgen traf ich kaum auf andere Läufer. Wenige von ihnen kreuzten wie Radsportler meine Wege quer über die Museumsinsel. Wir hielten uns alle an die Spielregeln. Dort unten ist alles wohl organisiert. Eine Bahn für eine Richtung. Abschnittsweise Läufer von Radfahrern getrennt. 

Im Schatten der Parkanlagen, die teilweise parallel zum Ufer verlaufen, oder am Fuße der historischen Gebäude herrschte eine angenehme Kühle, die sich mit dem Seewind mischte. Dennoch floss nach wenigen Kilometern der Schweiß. 

Der entspannte Nachmittagsrhythmus erlaubte es mir, eine kurze Pause vor dem Field Museum zu machen. Kein Mensch war zu sehen.

Bloggerin und Triathletin Nadin vor dem Field Museum auf Treppenstufen sitzend in Chicago Laufen Tipps Reiseblog

Ich harrte aus, genoss den Blick rüber zu einem weiteren spektakulären Bauwerk. Bis mir meine Laufbegleitung Beine machte und mich immer wieder die Treppen des Museums hinauf scheuchte. Treppentraining gehört definitiv zu meinen Lieblingseinheiten. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es ein gewisses Rhythmusgefühl verlangt. 

Direkt auf der anderen Straßenseite befindet sich das Zuhause der Chicago Bears im Soldier Field. Wenn man das zwei, drei Mal umrundet hat, weiß man auch, was man getan hat. Die Energie der Massen, die sich dort drin in der Saison von September bis Januar versammeln, spürt man auch draußen herum im Hochsommer. Aber auch die Rampen haben es dort in sich und eignen sich für ein ausgeprägtes Training mit Hill Sprints! 

Momente, in denen der Herzschlag den Takt vorgibt. In denen ich mich lebendig und verbunden mit der Stadt fühle. Aber in denen ich auch sprichwörtlich meinem Herzen folgend laufe. 

Wenige Meter südlich vom Soldier Field, von der Seepromenade aus zu erreichen, liegt ein kleiner Hügel. Von dort aus kann man das Stadion von schräg oben sehen. Die besondere Architektur aus Alt und Neu wirkt von dort oben fast wie ein Ufo, das auf einer alten Arena gelandet ist. Der Metall-Glasbau passt sich auf interessante Weise in die Skyline ein. 

Chicago Soldier Field Laufen Tipps Reiseblog

Ich lief damals noch ein Stück weiter südlich bis zum Strand der 31. Straße. Ungefähr 4 km vom Field Museum entfernt. Auch dort war es entspannt vom Takt – so abseits von Straßen in der Ruhe der Natur. Wobei Ruhe zu viel gesagt wäre. Mit Glück ist der Lake Michigan genauso entspannt, wie die wenigen Menschen, die ihren Hobbys nachgehen. 

Aber an den Bäumen herrschte eine Geräuschkulisse, die mich aus jedem Tagtraum jedes Mal wieder herausriss. Zikaden! Es müssen Millionen gewesen sein. Anders lässt sich dieser Chor nicht erklären, den ich immer eher mit dem mediterranen Süden in Verbindung brachte. 

Bloggerin und Triathletin Nadin laufend am Lake Michigan in Chicago Laufen Tipps Reiseblog

Als es kühler wurde, drehte ich ab, um mich auf den Heimweg zu machen. Es hat etwas sehr Besonderes, wenn man immer am Lake Michigan entlang läuft. Sich in Zeit und Gedanken verliert. Fasst vergisst, dass man in dieser lebendigen Großstadt ist. Bis zum Shedd Aquarium die Promenade nutzt und plötzlich wieder diese glänzende Skyline vor sich sieht!

Hier und da lief ich an Spielplätzen, Denkmälern aber auch Wasserbrunnen vorbei. Diese gibt es übrigens genauso wie WC Anlagen in regelmäßigen Abständen entlang des Lake Michigans. Durch Parks und kühlende Tunnel führte mich mein Weg zum Shedd Aquarium zurück.

Die wenigen Schäfchenwolken am mittlerweile deutlich dunkler gewordenem blauem Himmel rahmten das 1929 erbaute Gebäude wunderbar ein. Der Blick vom Field Museum auf das Aquarium war zu dieser Tageszeit einfach wunderbar! 

Chicago Shed Aquarium Laufen Tipps Reiseblog

Ich umrundete das Field Museum noch einmal zum Ausklang meiner Laufrunde. Der Takt wurde langsamer. Gemütlich an die Tageszeit angepasst, zu der sich die Museen leeren, die Busse weniger häufig auf die Halbinsel fahren, auf den Parkplätzen nur noch vereinzelt Autos stehen,… 

Das ist genau die richtige Zeit, um hier und da auch mal anzuhalten. So wie auf der Westterrasse des Museums, auf der ein Replica eines Brachiosaurus steht. Er wurde anhand der Funde aus dem Jahr 1900 nachgebaut. Unglaubliche Dimensionen, die sich dort über mir auftürmten. Ein Moment, in dem ich mich genauso winzig fühlte, wie beim Schwimmen weiter nördlich entlang der Hochhäuser!

Chicago Field Museum Laufen Tipps Reiseblog

Spannend auch – direkt an den Hinterfüßen des Dinosauriers befand sich ein Community Garten mit unzähligen Kräutern und Gemüsearten. Ich erinnere mich noch an die Auberginen, Tomaten, Rosenkohl, Schwarzkohl, Mangold,…  Fast so faszinierend mitten in dieser Stadt, wie der Riesensaurier, der zu den größten Landtieren der Erdgeschichte gehört!

Meine letzten, entspannten Laufschritte führten mich erneut durch die Tunnel, entlang der Bahnschienen, Schnellstraßen und Parks zurück. An dem heißen Sommertag in der frühen Abendsonne konnte ich mich allerdings an einer wassergekühlten Steinkugel noch kurz erfrischen, bevor mich meinen Heimweg antrat.

Vom Süden hat man wie auch von der Promenade der Museumsinsel einen großartigen Blick auf die Skyline, die in der Abendsonne beginnt, orange zu funkeln. Die graublauen Fassaden faszinieren mich aber immer wieder mindestens genauso. Damals waren bereits die Lichter auf den ruhigen Straßen angegangen. Die entspannte Atmosphäre des Nachmittags setzte sich vom Wasser und der Museumsinsel bis dorthin fort. 

Ganz im Gegensatz zur fortwährend trubeligen Stadtatmosphäre weiter im Norden hinter dem Yachthafen, wo damals meine Chicago Triathlon Triple Challenge begann. Dort, wo die Skyline Richtung Himmel ragt, aber schöne Strände zum Schwimmen einladen. Kurz hinter dem Navy Pier kann man ab Ohio Street Beach sogar ganz nah entlang der Glaspaläste sein Schwimmtraining absolvieren! Noch weiter nördlich besuchte ich bei meinem letzten Besuch die AVP Pro Tour mit ihren Beachvolleyball Wettkämpfen. 

Im Morgengrauen erlebte ich während einer Yogastunde am Oak Street Beach meinen schönsten Sonnenaufgang in dieser Metropole! Das kann man auch alles herrlich erlaufen und so nach und nach weitere Stadtteile von Chicago erobern. 

Marathontraining mit endlos langen Läufen ist dort in einem wunderbaren Stadt-See-Rhythmus immer am Wasser entlang absolut möglich. Die Kilometer laufen sich einfach so weg. Es gibt immer etwas zum Staunen oder Genießen… 

Chicago lässt mich jedes Mal mit viel Fernweh zurückreisen. Das beginnt bereits, wenn ich meinen Koffer dort zuklappen muss. Irgendwann, vielleicht irgendwann, werde ich wieder mein ganz eigenes Chicagoer Rhythmusgefühl erleben.

Welchen Stadtrhythmus konntest du bis jetzt laufend in dir aufnehmen? Welcher Takt hat sich für dich am schönsten angefühlt?

Chicago Sonnenuntergang Laufen Tipps Reiseblog

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Begleitet hat mich bei diesem Stadtlauf ein Laufoutfit von Salming und der Garmin Forerunner 945. Der zeichnet natürlich auch in so lebendigen Städten wie Chicago jeden Laufschritt auf, während die WrightSocks die Füße auch bei diesen langen Stadtläufen blasenfrei halten. Hin und wieder nahm ich zudem meinen Laufgürtel von CamelBak für all mein zusätzliches Equipment mit. 

Alle hier gezeigten Fotos wurden wie immer von Oliver Eule aufgenommen. Die Rechte an diesen Fotos liegen bei ihm und mir. Eine weitere Nutzung der Fotos ist in Absprache mit uns gerne möglich. Bei interesse schreibt uns bitte eine E-mail um details der Nutzung auf Social Media, Webseiten, Printmedien zu klären.

2 Gedanken zu „Laufgeschichten: Im Rhythmus von Windy City, Chicago“

  1. Echt tolle Fotos! In so großen Städten gibt es bestimmt immer etwas zu entdecken. Da lohnt es sich, wenn man sich vorher informiert. Ich selbst bin da jedoch nicht unterwegs, da ich nie in Städten im Urlaub bin. Dafür war ich aber von Mallorca überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass das Laufen dort an der Küste so abwechslungsreich sein kann. Und da ist witterungsbedingt der Takt eher so, dass man entweder früh morgens oder abends läuft.

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    • Ganz lieben Dank, Christian. Absolut. Wenn unterwegs, dann müssen die Laufschuhe auch mit! Mit Mallorca hatte ich nur ein Mal das Vergnügen und leider zu wenig laufen dabei. Klingt auch jeden Fall wunderbar mit der Küste!

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