Die recht flache Ironman Arizona Radstrecke führt rund 10 Kilometer hinaus aus der Stadt Tempe bevor der Beeline Highway mit einer sanften Steigung durch die Wüste und die Salt River Community führt. Drei Runden, die jede für sich so oder so eine Anstrengung gewesen wäre. Mit dem unnachgiebigen Wind, der sich Kilometer für Kilometer verstärkte, fanden die meisten Athleten während und nach dieser Langdistanz nur ein Wort und das war “brutal”. Ich sah Athletinnen und Athleten im Gegenwind fast stehen bleiben. Es gab so viele Radunfälle, wie ich sie bei noch keiner anderen Langdistanz gesehen hatte. Ich blieb davon zum Glück genauso verschont auf diesen 180 endlos erscheinenden Kilometern durch die Hitze, wie von den sich nicht bewahrheiteten Geschichten, um riesige Kaktusstacheln, die jeden Mantel durchstehen. Diese Radstrecke war nicht spektakulär, aber bot einiges, um uns Athleten den Weg so anstrengend wie möglich zu machen.
Wie ich mich durch diese Wüstenlandschaft schlug und wie auch Oliver sich wie ein Fähnchen im Wind dort draußen durchkämpfte, erfährst Du in diesem dritten Teil zum Ironman Arizona 2021.
Ich kam mit einer kleinen Gruppe aus dem Wechselbereich. Das Aufsteigen lief unkompliziert und nach einigen Kurven direkt zu Beginn wurde die Strecke recht schlicht. Mitten durch Tempe ging es mit zahlreichen Zuschauern am Streckenrand ab der zweiten Runde immer motiviert raus aus der Stadt.
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Die Bahnschienen am Anfang der Strecke, die auch Wendemarke für jede Runde waren, wurden mit Flies kaschiert. Dagegen war der Wendepunkt draußen in der Wüste ganz einfach mitten auf der Straße platziert mit einem Hütchen. Aber selbst dort hatten sich damals Zuschauer versammelt. Bis dahin waren es aber jedes Mal 30 Kilometer. Die jeweils härtesten 30km, die ich bei einer Langdistanz neben den Höhenmetern in Zürich überwinden musste. Ein minimaler Anstieg von wenigen Prozenten war im Training kaum zu spüren.
An diesem Wettkampftag verlangte es mir aufgrund immer stärker werdendem Wind alles ab.
Zum Glück wusste ich davon zu Beginn noch nichts. Da ärgerte ich mich nur über den desolaten Zustand der Straßen. Abschnittsweise war der Asphalt mal perfekt. Meist aber durchzogen von Rissen und Unebenheiten, die sich in der dritten Runde anfühlten, als hätte ich Kopfschmerzen.
Die erste Runde lief ganz entspannt mit wenigen Athleten und einigen Begleitfahrzeugen auf der Strecke. Von Runde zu Runde wurde es voller. Immer mal wieder kamen von hinten Athleten, die überholten. An wenigen strampelte ich vorbei. Regelmäßig passierten uns Kampfrichter, die auch schon mal anhielten und Müll von der Straßen nahmen, der von überall her wehte. Sehr langsame Athleten fuhren hin und wieder auf dem breiten Seitenstreifen. Dort standen dann auch die Athleten, die sich mit platten Reifen quälen mussten. Nicht immer waren helfende Hände gleich zur Stelle. Die Stimmung unter den Athleten war um mich herum sehr nachsichtig und positiv. Aber jeder hatte mehr als nur mit sich zu kämpfen. Wind, Hitze und natürlich die Länge der Distanz zehrten nicht nur an mir.
Wie auf den Kanaren oder im platten Brandenburg auch, nimmt der Wind nur sehr selten über den Tag hinweg ab. Als ich die erste Runde hinter mir hatte, war ich noch echt guter Hoffnung, dass ich eventuell unter 6 Stunden bleiben könnte. Die erste Runde wollte ich als Gradmesser nutzen, wie es mir an diesem Tag geht und wie gut ich mit dem leichten Anstieg raus aus Tempe zurechtkommen würde. Dass ich mit jeder Runde langsamer und langsamer wurde, lag definitiv nicht am Rückweg. Denn den konnte ich zwischen 35 und 50km/h immer unglaublich zügig zurücklegen!
Sobald aber eine Runde vollendet war, brach das Drama los. Durch Tempe hindurch sorgten Zuschauer für Motivation und unnachgiebiges Treten. Hinter der Stadt mit frontalem Wind und dem minimalen Anstieg entgegen fahrend, sah es ganz anders! Es ging stetig nach unten mit den km/h. Ich schaute weder auf die Uhr noch wollte ich die Geschwindigkeit wissen. Wenn ich es doch tat, war ich erschüttert.
Die wenigen Zuschauer und Helfer waren draußen im lauten Wind ein Geschenk.
Schon als ich das zweite Mal dort raus musste, war es unfassbar hart. Ich wollte jedes Mal einfach zu den Bergen in Sichtweite kommen. Nach etwa 20km wurde sie langsam größer. Die ersten Kakteen verschönerten die Strecke nach etwa 25km. Das war Runde für Runde ein wunderbarer Abschnitt. Weiterhin hart, aber wenigstens eine Landschaft, in der man etwas staunen konnte. Wenngleich es angesichts der kargen Vegetation auch nicht wirklich unfassbare Highlights waren. Aber ich mag das ja. Sehr sogar. Vieles erinnerte mich an Brandenburg oder an Fuerteventura. Es gab nicht viel zu sehen. Das wenige aber war so anders, wie es nur sein konnte. Bis über viele Kilometer hinweg fuhren wir durch pure Einöde. Man war gut beraten, viel zu Essen und zu trinken in diesem Nichts bei sich zu haben. Und mit Wind sollte man umgehen können!
Zeitweilig war es wie in der Wüste. Man hörte nur den tobenden Wind. Vertrocknete Büschel von einstigem Grün wehten über die Straßen.
Wie spektakulär windig es war, verstand ich erst so richtig auf der zweiten Runde. Als ich erneut Tempe hinter mir ließ und auf dem Beeline Highway ankam, wehten die Fahnen der gegenüberliegenden Verpflegungsstation so laut, dass ich sie im Gegenwind und trotz Ohropax wahrnehmen konnte. Ich fluchte innerlich, obwohl ich schon viel länger gegen den Sturm ankämpfte. Das brachte aber wirklich das Fass in mir zum Überlaufen.
Ich schwitzte, als wäre es schon Mittagszeit und die Sonne an ihrem höchsten Punkt angekommen. Mit teilweise gerade einmal 14km/h trat ich raus in die Wüste. So hatte ich aber das Glück, Oliver schon von Weitem in Ruhe zu sehen. Er stand seitlich gegen den Wind gelehnt. Seine Shorts flatterten wie die Ironman Fahnen an der Verpflegungsstation. Ich war verwundert, dass er es bis dort draußen mit seinem viel zu großen Mietrad geschafft hatte. Er musste sich aber trotz Abkürzungen genauso quälen wie wir und verpasste mich deshalb auf der ersten Runde. Ich staunte nicht schlecht, als er in der letzten Runde sogar noch weiter draußen Richtung Wüste stand.
Weil ich das mit dem Wind natürlich kenne, war ich zwiegespalten. Ich weiß, wie es auf den Kanaren ist. Wie hart es sein kann, ihn von der Seite oder wie in Arizona einfach nur frontal zu spüren.
Ich war aber vollends entnervt von der Langsamkeit. Dafür hatte ich innerlich wirklich keine Geduld.
Ich hatte in der dritten Runde nichts entgegenzusetzen. Die erste Runde war mit 120min schon irre langsam. Für die zweite benötigte ich sieben Minuten mehr, für die dritte noch einmal neun. Ich war fassungslos, was da dort draußen passiert. Wollte mir aber auch den Spaß über diesen Tag, diesen Wettkampf und den Kampf für diese 5. Medaille dadurch nicht nehmen lassen.
Was hätte ich denn auch anderes machen können? Als immer weiter zu treten…
Trotz dieser Herausforderung, die uns alle an allen Ecken und Enden quälte, war die Stimmung unter den Athleten zeitweilig großartig. Wenn man wollte, konnte man einige Worte wechseln und sich gegenseitig motivieren. Und klar wurde es schon allein wegen der Anstrengung nicht langweilig. Dazu die Hitze und die Sonne, der Staub, Sand, Wind.
Wir mussten uns verpflegen und es gab einiges zu bestaunen! Es gibt ja echt so einige Dinge, die ich persönlich bei einer Langdistanz nicht, also wirklich niemals(!) machen würde. Meine Perspektive auf diese Liste in meinem Kopf hat sich bei diesem Ironman noch einmal komplett geändert! #1 all der Dinge, die da drauf stehen, ist jetzt: auf keinen Fall ein Fatbike beim Bike Check-In abgeben. Und schon gar nicht bei so einem Sturm! Startnummer 1004 bekommt von mir echt volle Punktzahl für sein Auftreten und die Geräuschkulisse, die er mit sich zog, als wir wieder einmal mit 50km/h stadteinwärts rauschten. All diese Geschwindigkeit reichte jedoch auch nicht aus, um die unfassbar vielen Minuten des ersten Teils jeder Runde, wieder gutzumachen.
Es waren wieder die Helfer, die die Stimmung hoch hielten und bei der Getränke- und Essensübergabe motivierten. Wer allerdings nicht mit Schwung in den Wind an den Verpflegungsbereich heran rollte, lief spätestens in der dritte Runde Gefahr anhalten zu müssen. Ich sah noch nie so viele Athletinnen und Athleten genau das machen. Selbst mitten auf der Strecke am Seitenrand des Highways standen sie, aßen, tranken und erholten sich.
Aber dafür wäre ich viel zu faul gewesen!
Ich wollte einfach nur durchkommen. Deshalb war ich froh, wenn ich mich nur auf meinem Aerolenker legen und so wenig wie möglich bewegen musste. Ich krallte mich aber auch da ganz schön fest. Ohne war das alles wirklich nicht! In meinen Alé Cycling TriSuit passten zum Glück einige Riegel, die mich zusammen mit meinen Gelen in der Radtasche und ein paar Bananenstücken unterwegs prima über die Runden brachten. Ohne wäre ich entweder im Fahren verhungert, vor Erschöpfung vom Rad gefallen oder hätte wirklich auch anhalten müssen. So unwahrscheinlich schien mir das an diesem Tag nicht. Vielleicht war es auch genau das, was einigen Athleten unterwegs passierte, die ich auf dem Mittelstreifen liegen sah. Ja, liegen. Wir hatten zum Glück eine komplette Seite des Highways und auch innerorts großzügig viel Platz. Andere Fahrzeuge kamen uns nicht in den Weg. Bei dem Wind eierte nämlich nicht nur ich manchmal herum.
Hin und wieder sorgten ein paar Zuschauer zusammen mit Polizei an Kreuzungen für kleine Hotspots und munterten auf. Die Verpflegungsstationen waren für sich ein Highlight in der Landschaft. Nicht nur weil all die Freiwilligen für uns dort draußen in gleißender Sonne und heißem Wind ausharrten. Sondern weil die Auffangstationen für den Müll Akzente setzten. Ob mit wild drapierten Fangnetzen oder den Minions als Zielscheibe. Es gab so einige punktuelle Aufmunterungen, die ich vor allem in der dritten Runde wirklich gebraucht habe!
Jede Minute, die verstrich fiel es mir schwerer, geduldig auf meinem Fuji zu sitzen und einfach nur zu treten.
Als ich die finale Runde in Tempe unten an den abgeklebten Bahnschienen zwischen den Zuschauern begann, fragte ich mich ernsthaft, ob dieser Tag nie enden will!
Sofort an der nächsten Wasserstation griff ich nach Flaschen, einer Banane und noch einem zweiten Wasser. Eine Flasche kippte ich über meinen Kopf und die Oberschenkel. Aus der anderen trank ich und füllte meine Reserven vorn auf. Es ging vorbei an den gläsernen Fassaden des Stadtkerns, durch das Universitätsviertel und entlang von Wohnsiedlungen, bevor der Highway wartete. Die Penalty Boxen waren zeitweilig verlassen. Hin und wieder sammelten sich einige Athleten im Schatten.
Mit ein paar Links-Rechts-Kurven verließ ich die Zuschauer. Es fühlte sich kurzzeitig so an, als wäre ich mit nur ganz wenigen Athleten auf der Strecke. Als ich Oliver noch einmal dort draußen sah, war er auf dem Rückweg zum Ziel. Für mich waren es noch etwa 15 harte Kilometer bis zur letzten Wende. Zeit spielte schon lange keine Rolle mehr. Ich schaute immer mal wieder nach weit vorn, um markante Punkte zu sehen. Noch 10. Erste Berge tauchten auf. Dann 5. Kakteen waren erneut in Hülle und Fülle zu bewundern. Jeder Wasserstation sehnte ich entgegen. Zum Erfrischen und Flaschen nachfüllen. Dazwischen Wind, den ich als Sturm beschreiben würde. Zum Glück direkt von vorn.
Einerseits wollte ich sofort vom Rad runter, andererseits mochte ich mir nicht ausmalen, wie sich meine Beine auf der Laufstrecke anfühlen werden.
Also trat ich. Nur um es irgendwie hinter mich zu bringen.
Ja, es war nur noch das. Ich wollte vom Rad. Dann wieder doch nicht und dann wieder. Das letzte Mal Wendepunkt draußen, erwartete ich sehnlichst. Ich bog um die Hütchen und war auf dem letzten Rückweg. Noch einmal Kräfte der Radbeine nutzen, um an allen Wasserstationen vorbei zu rauschen. Ein letztes Mal einige Athleten überholen, die sich vom Wind treiben ließen. Ich wollte mich nicht treiben lassen – ich wollte das es endet. Bis in die Stadt strampelte ich kraftvoll, um die letzten 5 Kilometer lockerer zu lassen.
Als die höheren Häuser zu sehen waren, machte ich innerlich drei Kreuze. Ich konnte das Gehuppele der Straßen nicht mehr ertragen, wollte aus meinen Radschuhen raus und einfach nur laufen. Nach unfassbar enttäuschenden 6:18h war es dann auch endlich soweit. Meine Freude war schon riesig, als ich den Wechselbereich von Weitem sah. Endlich absteigen zu können, das Rad von einem Helfer abgenommen zu bekommen und zu gehen, fühlte sich trotz der Erschöpfung großartig an.
Wie ich die Laufstrecke dieser Langdistanz anging, ins Ziel kam und den folgenden Celebration Day genoss, erfährst du im nächsten Beitrag zum Ironman Arizona.
Alle Teile unserer Ironman Arizona Beitragsreihe findest Du hier:
Ironman Arizona 2021: Wettkampfmorgen & Schwimmstrecke
Ironman Arizona 2021: Startunterlagen, Wettkampfbesprechung & Bike Check-In
Ironman Arizona 2021: Radstrecke
Ironman Arizona 2021: Laufstrecke & Finishline
Vielfältige Abenteuer rund um Triathlons & Reisen, findest du auch unter meinem Tag EiswuerfelImSchuh auf Tour.
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Als Triathletin & Autorin von Eiswuerfel Im Schuh bin ich zusammen mit meinem Sportfotografen immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung und neuen Bildmotiven. Als Julimädchen liebe ich die Sonne, das Meer und den Sand zwischen den Zehen, genieße aber auch die Ruhe auf meiner Yogamatte oder auf einem Surfbrett.