Die Challenge Roth Radstrecke lebt wie die anderen Abschnitte dieser Langdistanz von den Zuschauern aber auch von Hotspots wie den Solarer Berg. Aufgrund der Auflagen und verkürzten Strecke in diesem Jahr mussten die Profis und Altersklassen-Athleten ohne auskommen. Die langgezogenen Landstraßen mit einigen Anstiegen erlebten wir als Staffel unterschiedlich. Während ich selbst mit dem Rad die komplette Strecke vor mir hatte, feuerten Hannah von Ausdauercoaches und Ann-Kathrin von Triathlove mit weiteren Supportern die Athleten an. Sie unterwegs zu sehen war mein echtes Highlights neben der Erfahrung nun auch endlich mal auf der Roth-Strecke gewesen zu sein. Wie es mir unterwegs erging, erfährst Du in diesem zweiten Teil zu unserer Challenge Roth Triathlon-Staffel.
Der Morgen des Challenge Roth 2021 Triathlons war ein Wechsel aus ganz entspannt in den Sonnenaufgang hineinleben, Startaufregung gegenüber unseres Teams und gespannter Vorfreude, endlich selbst an der Reihe zu sein!
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Hannah von Ausdauercoaches hatte Ann-Kathrin von Triathlove und mir am Morgen noch alles Gute gewünscht. Als Abschlussläuferin beobachtete sie zunächst das Rennen vom Hotelzimmer aus, um Beine und Kopf noch ein Weilchen zu schonen. Sie war aber mit Sicherheit genauso nervös, wie wir am Kanal.
Nachdem ich Ann-Kathrin, innerlich dann doch aufgewühlter als ich zunächst dachte, beim Start zuschaute, verstrich langsam die Nervosität. Ich schaute ihr und der Gruppe noch einige Minuten hinterher bis ich sie im Gegenlicht und im reflektierendem Wasser nicht mehr erkennen konnte. Dann ging das Warten und meine eigentlichen Vorbereitungen los. Ich hatte zwar am Morgen gleich als ersten mein Fuji einigermaßen trocken gerieben, aber mehr als eine Stunde später war erneut alles von Feuchtigkeit überzogen, obwohl es nicht geregnet hatte!
Wir wussten nicht, wie lang es dauern würde. Es gab nur eine grobe Vorstellung. Ab jetzt hieß es für mich warten! Der Wendepunkt weit mehr als 1km südlich von meinem Standort entfernt lag außer Sichtweite. Ich nahm noch einmal meine Matcha Flasche und einiges zu Essen zur Hand. Ich bereitete die Reste vor. Sonnencreme. Wieder essen und trinken. Alles ablegen, Radschuhe anziehen und Sack und Pack am LKW abgeben, damit die Wechselsachen zur zweiten Wechselzone transportiert werden konnten.
Ein kleines Luftballon Glückschweinchen beobachtete ich eine ganze Weile zwischendurch. Es schmunzelte so zufrieden. Damit war es eine willkommene Abwechslung von Gedanken und vielleicht auch Glücksbringer für alle Athleten. Ja! Auch Glück braucht es bei einem Triathlon. Vor allem bei einer Langdistanz. Es kann ja alles mögliche passierten – defekte Gangschaltungen. Gebrochene Speichen. Der gefürchtete Platten. Da ist dann pffffffff ganz schnell die Luft raus und vermutlich auch die Lust aus! Zweifel an meinen Reperaturfähigkeiten kreisten immer wieder wie das Schweinchen in der Luft. Gedanken über fehlendes Material im Notfallset, keine Reifenheber oder der Ersatzschlauch ist so alt, dass er porös ist und nach wenigen Kilometern auch Luft verliert…
All das versuchte ich immer wieder beiseite zu drängen! Ich würde aber unterwegs alles geben, um den Flitzer wieder in Gang zu bringen. So viel stand fest. Ohne Frage vor allem für unsere Staffel. Die gefühlte Verantwortung für das Team war riesig. Aber die Vorfreude und Stimmung mindestens genauso groß.
Immer wieder hoffte ich, dass es Ann-Kathrin unterwegs gut gehen würde! Ich zappelte hin und her, während ich auf den Wechsel von Ann-Kathrin vom Schwimmen wartete. Letztlich war es gar nicht so lang. Aber es fühlte sich unendlich an.
Ich muss schon zugeben, dass ich wirklich nervös war. Ganz anders, als wenn ich mich allein auf so eine Langdistanzstrecke mache. Da liegt alle Verantwortung ganz bei mir. Wenn etwas hier schief gehen würde, wäre ich daran Schuld sein, dass wir nicht durch diese großartige Zielarena laufen könnten. Ich versuchte immer wieder diese Gedanken beiseite zu schieben. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass ich so eine Raddistanz fahre!
Die Herausforderung bei so einer Staffel ist nicht nur der gemeinschaftliche Kampf. Für ein Team da zu sein. Davor, währenddessen und auch danach. Sondern auch ruhig zu bleiben, wenn die anderen unterwegs sind und dieses Warten. Ich warf noch einen letzten skeptischen Blick auf das schmunzelnde Glücksschweinchen mit der Hoffnung das es mir wirklich Glück bringen würde. Mit dem Aufsetzen meines Helmes nahm ich auch meine Maske ab und war bereit. Bereit für unsere Staffel. Bereit für die Challenge Roth Radstrecke!
Als ich Ann-Kathrin von Weitem vom Schwimmausstieg zum Wechselzelt laufen sah, war ich erleichtert und freute mich so für sie! Ich vergaß kurzzeitig, dass ich dran war, als sie mir mit einem unglaublichen Tempo fokussiert entgegen lief. Eigentlich wollte ich sie bejubeln, wie am Anfang umarmen und abklatschen voller Freude wie damals bei den Bundesjugendspielen auf dem Leichtathletikplatz in meiner Schulzeit. Aber ich realisierte, dass ich ja noch den Zeitmesschip von ihrem Fußgelenk brauchte. Sonst würde das nichts werden mit unserer Staffel. Ich versicherte mich noch abschließend bei Ann-Kathrin, ob alles ok war und binnen Sekunden war es soweit. Fuji anschieben, aufsteigen und los.
Die Radstrecke war in diesem Jahr lediglich 170km lang. Aufgrund von Bauarbeiten wurde der Hotspot schlechthin, der Solarer Berg, gestrichen. Ein wirkliches Ärgernis. Das hätte ich wahnsinnig gern erlebt. Aber aufgrund der scharfen Richtlinien waren Stimmungsnester sowieso untersagt. Zum Glück gab es dennoch einige Zuschauer entlang der Strecke, die in harten Momenten die Motivation wieder nach oben trieben. Davon sollte es später in Runde zwei noch einige geben!
Die Radstrecke über zwei Runden war größtenteils für den Straßenverkehr gesperrt und fuhr sich wirklich traumhaft. Großartig für eine Langdistanz. Rückblickend unglaublich schade, dass ich bzw. wir es nicht unter normalen Bedingungen erleben konnten. Mit all den Highlights, die die Challenge Radstrecke so prägen und berühmt machen und für Triathleten aus aller Welt so attraktiv erscheinen lässt!
Das anfängliche Hin und Her über den Kanal an den Parkplätzen und Campingplatz vorbei entzerrte sich nach wenigen Kilometern. Genauso wie die Athleten, die mit der Zeit immer weniger wurden. In Eckersmühlen bestaunte ich kurz die Abfahrt, die mich später zur zweiten Wechselzone und damit zu Hannah bringen würde. Das war also mein Ziel! Kurz darauf folgte schon die erste Verpflegungsstation, die ich mir für die zweite Runde vorgemerkt hatte. Der erste Abschnitt nach Wallesau verflog mit rasender Geschwindigkeit. Mein Körper, der in den vergangenen Monaten viele Änderungen erlebt hat, fühlte sich gut an. Er war definitiv bereit für diese Strecke. Mein aufgeregter Kopf voller Freude und neugierig, wie es weitergehen würden. Die sich dahin schlängelnden Landstraßen durch kleine Ortschaften wirkten teilweise verlassen, bis immer wieder Zuschauer aus dem Nichts auftauchten. Teilweise an Stellen, wo ich es kaum erwarten würde.
Wenige Athleten überholten mich. Irgendwie war es komisch. Ich muss zugeben, dass mich die Zuschauer- aber auch vor allem die Athleten-leeren Straßen nicht nur verwunderten. Es irritierte mich regelrecht. So hatte ich mich mir das wahrlich nicht vorgestellt. Irgendwann dämmerte es mir, dass wir ja als Staffel so spät gestartet waren. Ich aktivierte erst um 10:13 Uhr meinen Forerunner für die Radstrecke. Sprich die meisten Athleten waren zu diesem Zeitpunkt bereits zig Kilometer vor mir. Um mich herum vermutlich nur andere Staffelteilnehmer:innen. Irgendwann sagte ich mir, dass es eigentlich nichts anderes ist als mein Radtraining allein im Hinterland von Brandenburg. Was ich immer so genoss. Da wir als Staffel einfach den Tag genießen wollten, schien mir das unterwegs irgendwann auch die beste Einstellung. Ich lächelte also die wenigen Zuschauer an. Prägte mir markante Streckendetails ein. Fokussierte mich darauf, wie gut es eigentlich lief.
Vom Hörensagen wusste ich, dass ich ab Kilometer 40 den Fokus auf die Anstiege legen sollte! Das Streckenprofil war nicht ohne. Wir sprechen hier nicht über die Alpen, aber die Beine durften bei Anstiegen zwischen 6 und 10 Prozent schon beweisen, was in ihnen steckt. Das funktionierte auch richtig prima. Dennoch zehrte es ganz schön an der Kraft, als es irgendwie nicht aufhören wollte höher zu gehen. Just in dem Moment, als ich dachte, nun ist es aber geschafft, ging es weiter und immer weiter. Und ja, ich dachte kurzzeitig an Buzz Lightyear und an die Unendlichkeit und noch viel weiter.
Auf der zweiten Runde sollte ich dann ja zum Glück wissen, was auf mich zu kam. Der Plan war ursprünglich, dass ich mir in der ersten Runde alles einpräge und in der zweiten Runde alles aus den Beinen herausholte, was irgendwie in ihnen zu finden sei. Das Wetter war perfekt. Ich hielt mich an meine Trink- und Essensvorgaben. Fuhr übers Land, um dann irgendwann endlich die Serpentinen hinab zu fegen. Das war übrigens sehr irritirend, dass die nicht gleich nach dem Anstieg folgten, sondern erst nach einigen Kilometern quer durchs Land später. Mittendrin während der Abfahrt wurde ich plötzlich durch eine unfassbare Aussicht aus meinem Fokus herausgerissen. Ich ließ locker rollen und starrte in die Weite. Das war wirklich mein Streckenhighlight, auf das ich mich in Runde zwei auch richtig freuen wollte. Bis dahin war es aber noch ein ganzes Stück mit weniger spektakulären Anhöhen und Abfahrten.
Was mich aber zu meiner Freude dann zum Abschluss der ersten Runde erwartete war ein jubelndes Team, das ich schon von Weitem sah! Ich freute mich so, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Ich war froh alle zu sehen. Vor allem auch, dass Ann-Kathrin fröhlich war und das Schwimmen offensichtlich gut weggesteckt hatte. Und dass Hannah auch tatsächlich dort mit stand. Irgendwie hatte ich das nicht gewusst und war echt davon begeistert. Sie hatte ja noch so unglaublich viel vor sich!
Binnen Sekunden war ich leider schon vorbei und auf meiner zweiten Runde unterwegs. Mit einem guten 32er Schnitt laut meinem Edge lag die erste Runde damit hinter mir. Ich war durch das Treffen mit unserem Team so richtig motiviert. Das stärkte mir sehr den Rücken!
Ich war zuversichtlich, dass ich die nächsten Kilometer noch um einiges schneller fahren konnte. Ich wollte vom Rad steigen und mich nicht mehr bewegen können. So der Plan, der mit Ankunft an der Abfahrt nach Roth ins Wanken geriert. Während sich Ann-Kathrin und Hannah zur zweiten Wechselzone auf machten, begann bei mir plötzlich ein Kampf, wie ich ihn noch nie bei einem Triathlon erlebt habe. Zum Glück. Ich fühlte mich innerhalb weniger Kilometer krank. Aber so richtig. Als hätte ich eine Magen-Dram-Grippe. Ich fühlte mich schwach, frierend bei herrlichem Sonnenschein und übel. Die Übelkeit war das Schlimmste.
Flüssigkeit wollte plötzlich gar nicht mehr rein. An den Verpflegungsstationen nahm ich ausschließlich Bananen auf. Ich aß langsam alles, was ich dabei hatte plus die Bananen. Die Gele hätte ich am liebsten in die Landschaft gepfeffert! Meine zwischenzeitliche Wut auf meinen Körper verwandelte sich bis zu den Anstiegen in brutales Selbstmitleid. Ich konnte meine Gedanken zwischenzeitlich schon selbst nicht mehr hören. Mit der Härte der Anstiege kamen wieder einige Zuschauer zum Vorschein. Ich quälte mir ein Lächeln heraus. Schließlich wollte ich doch Zuschauer und Helfer immer anlachen.
Mit dem Gedanken an Ann-Kathrin und Hannah lenkte ich mich weiter ab. Sie warteten, sie warteten, sie warteten! Was ich erst später erfuhr war, dass der Athleten Tracker zwischendrin ausfiel. Für sie stieg die Nervosität im gleichen Maße wie für mich die Übelkeit. Meine Hoffnung war währenddessen, dass sie am Tracker sehen würden, dass ich deutlich langsamer wurde und sie sich denken konnten, dass irgendetwas war. In solchen Momenten hasste ich es, dass man kein Handy mitnehmen durfte.
Ich schwankte zwischen anhalten und irgendwie weitermachen. Jedes Mal wenn ich zurück in die Aerohaltung ging wurde ich mit noch mehr Übelkeit bestraft. Essen ging nach 140km auch nicht mehr. Ich fragte mich, wie ich es unter diesen Umständen bis zum Wechsel schaffen sollte. Ich krallte mich am Lenker fest und trat, trat, trat. Zählte nicht mehr die Kilometer sondern die Minuten. Ich war bereit mich sofort in den nächsten Graben zu werfen und still vor mich hinzuleiden. Aber das ging nicht. Hannah wartete, Hannah wartete, Hannah wartete,… Irgendwie riss ich mich immer wieder zusammen und kam gefühlt Stunden später endlich an der Abfahrt nach Roth an. Die Kilometer waren hart erkämpft und gleichzeitig irgendwie unbeachtet an mir vorbeigezogen. Ich weiß noch, wie ich meinem Radsportonkel irgendwann später davon berichtete. Grauenvoll, war meine Zusammenfassung.
Während ich mich auf meinem Fuji die letzten, nicht enden wollenden Kilometern einsam voran kämpfte, brach im Zielstadion Jubel aus. Patrick Lange holte sich bei seiner Roth-Premiere einen fulminanten Sieg, gefolgt von Nils Frommhold und Felix Hentschel. Kurz danach kam eine über die Marathonstrecke geflogene Anne Haug als erste Athletin ins Ziel. Laura Siddall und Fenella Langridge kamen mehr als eine halbe Stunde später als Zweite und Dritte in der Zielarena an. Wie gern hätte ich mir dieses Spektakel auf der Laufstrecke angeschaut!
Ich eierte in Roth hinein. Du kannst dir kaum vorstellen, wie erleichtert ich war, als ich entfernt Helfer auf der Straße sah! Ich kullerte förmlich an die Wechsellinie heran. Ich sah Ann-Kathrin und war in dem Moment so unfassbar enttäuscht von mir. Mir wurde zum Glück mein Rad abgenommen. Ich torkelte kurzzeitig umher. Aber es tat so gut, einfach zu stehen und nicht mehr nach vorn gebeugt sein zu müssen! Mit hängendem Kopf lief ich über die Wiese hinter den Zäunen durch den Wechselbereich. Lauter Bänke und Sonnenschirme reihten sich aneinander. Staffeln schrien und ich suchte nach Hannah. Plötzlich aus dem Nichts stand sie vor mir. Sie erzählte mir, dass sie Sorge hatten, ich wäre ausgestiegen. Naja, so falsch lagen sie mit der Annahme nicht. Das Live-Tracking schien ja zum Glück nur ausgefallen zu sein. Denn ich war ja da. Ja! Tatsächlich. Ich war angekommen, hatte meinen Teil erfüllt und endlich war Hannah für uns unterwegs. Auch wieder ein blitzartiger Wechsel.
Rückblickend lief es natürlich nicht besonders. Aber eigentlich war die Stimmung von Anfang bis Ende unserer Staffel großartig. Genauso wie auf der Radstrecke. Es gab einiges, womit ich mich persönlich abfinden musste auf meiner Strecke. Harte Momente gehören einfach mit dazu. Die Staffel hat mir immer wieder Kraft gegeben und mir innerlich gezeigt, was das Wesentliche ist.
Wie es für unsere Staffel weiterging, wie wir den Nachmittag gemeinsam bis zum abschließenden Finale in der Zielarena verbrachten, wie es Hannah beim Marathon erging und wie großartig die Finisher Party war, erfährst du im letzten Beitrag zum Challenge Roth 2021.
Alle Teile unserer Challenge Roth 2021 Beitragsreihe findest Du hier:
Challenge Roth 2021 – Pressekonferenz
Challenge Roth 2021 – Messebesuch & Startunterlagenausgabe
Challenge Roth 2021 – Bike Check-In
Challenge Roth 2021 Triathlon-Staffel – Teil I
Challenge Roth 2021 Triathlon-Staffel – Teil II
Challenge Roth 2021 Triathlon-Staffel – Teil III
Vielfältige Abenteuer rund um Triathlons & Reisen, findest du auch unter meinem Tag EiswuerfelImSchuh auf Tour.
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Als Triathletin & Autorin von Eiswuerfel Im Schuh bin ich zusammen mit meinem Sportfotografen immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung und neuen Bildmotiven. Als Julimädchen liebe ich die Sonne, das Meer und den Sand zwischen den Zehen, genieße aber auch die Ruhe auf meiner Yogamatte oder auf einem Surfbrett.