Radgeschichten: Die weiße Wand

Nur all zu oft ist es nicht unser Körper, der uns im Stich lässt, der uns nicht mehr können lässt. Vielmehr ist es unser Kopf, der uneins mit dem ist, was wir eigentlich wollen. Es ist nicht die Motivation, die uns fehlt. Denn wir sind meist mittendrin im Spektakel Sport, wenn das kleine Teufelchen entscheidet, dass wir eigentlich gar nicht mehr wollen. Oft sind es aber die Umstände, die weiß machen, dass nichts mehr geht und uns einknicken lassen.

In meinem Fall ist es diese weiße Wand. Sie findet sich in jedem Raum vom Höhenpunkt, wo ich zwei Mal pro Woche künstlich Dank Sauerstoffentzug auf eine Höhe von mindestens 2000m gebracht werde. Je dünner die Luft desto höher die eingebildeten Berge und weißer die wirklich vorhandene Wand.

Naja, genau genommen sind es ja vier Wände, was die Abwechslung aber auch nicht erhöht. Ein Fernseher schallt mit Nachrichten durch die Räume. Ich schaue Reportagen. Die Klimaanlage gibt alles. So wie ich. Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich das Schwitzen neu erfunden habe? Aber so richtig. Also so, als hätte sich ein dicke graue Wolke genau über mir entleert.

Genau dann, wenn es so richtig schlimm um mich steht, wenn alle Wasserreserven meinen Körper verlassen haben, wünsche ich mir, ich könnte so eine Geschwindigkeit aufbauen, dass mich das Rad oder Laufband geradewegs durch die Wand an die frische Luft katapultiert.

Das Schlimmste dabei, mein Puls hat die Ruhe weg. Es gibt rein körperlich absolut kein Grund zu klagen. Aber besonders auf dem Laufband oder langen Radeinheiten, während ich mich selbst vollstinker, kommen einem so Gedanken…

Die Höhe im wahrsten Sinne des Wortes ist der Liegestuhl, der in einer der Ecken ganz sicher nur auf mich wartet. Dann aber wohl doch lieber die ungeliebte weiße Wand anstarren. Die besteht aus lauter weiß bepinselten Ziegelsteinen. Ich fahre im Wechsel mit den Augen die Zwischenräume ab und starre auf meine Uhr. Hätte die einen Sekundenzeiger, ich könnte ihn schlagen hören. Ist in etwa ähnlich dem Kachelnzählen im Schwimmbad oder dem Rundenzählen in der Tempohöllehalle auf der 200m Bahn. Für alles fehlt mir die Geduld, wenn es in meinem Kopf hämmert und mich das kleine Etwas wieder zum Aufgeben zwingen möchte. Das härtet ab! Wie Rollefahren zu Haus. Kilometer für Kilometer. Jetzt eben nur in der Höhenkammer unter Sauerstoffentzug.

Wo da der Spaß bleibt? Frage ich mich manchmal auch, aber irgendwie kommt er dann irgendwann hinzu. Spätestens, wenn man diesen einen Punkt überwunden hat. Naja und von dem Gefühl danach, brauche ich ja wohl niemanden etwas zu erzählen.

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..‘Din’ ist Gründerin von Eiswuerfel Im Schuh

20121111-082354.jpgAls Triathletin & Autorin von Eiswuerfel Im Schuh bin ich zusammen mit meinem Sportfotografen immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung und neuen Bildmotiven. Als Julimädchen liebe ich die Sonne, das Meer und den Sand zwischen den Zehen, genieße aber auch die Ruhe auf meiner Yogamatte oder auf einem Surfbrett. Ich freue mich, mit dir auf Facebook, Twitter, Pinterest, Instagram und Google+ in Kontakt zu bleiben.

0 Gedanken zu „Radgeschichten: Die weiße Wand“

  1. Kacheln zählen im Höhenpunkt – da bin ich für dieses Jahr durch. Ich fühle mit dir, kenne die Pfütze unter dem Daum und den Puls, der sich langweilt.
    Ich freue mich schon auf die kommende Wintersaison und knackige Intervallen kommentiert von Ralle.

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    • Bist du etwa schon durch und jetzt nur noch draußen?
      Ohja, da bereite dich schon einmal mental auf die nächste Saison vor. Das kann man nicht zeitig genug angehen… Na dann viel Spaß bei all den unzähligen Kilometern auf schwarzem Asphalt.

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  2. Ist ja interessant was für ein verschärftes Training du da durchziehst. Aber diese “Wand” kenne ich auch nur zu gut. Bei langen Intervalleinheiten auf der Bahn zahle ich auch ganz schnell schon die Runden oder gar die Kurven bis ich es geschafft habe. Und da stört mich nur der Wind und nicht der wenige Sauerstoff..

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    • Geht es dir auch so, dass du dich dann auch immer so schnell verzählet? Nur mit größer Mühe kann ich mir alles merken. Aber auch was man auch unterwegs für Ideen kommt. Bei mir muss das auch der Sauerstoffentzug sein.
      Dann mal auch weiterhin veil Spaß beim Kurven und Runden zählen. Der lohnt ist dann das Ziel und dieses besonders gute Gefühl.

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  3. Liebe Din

    hart
    das klingt sehr, sehr hart
    für mich wäre das nichts
    nicht dass ich es nicht schon praktiziert hätte
    immer nur dann
    wenn es keine andere Möglichkeit gab
    z.B. auf einem Schiff
    oder auch im Studio
    weil ich gerade dort war
    aber nichts
    aber auch gar nichts
    geht über draußen
    keine Wände
    keine Klimaanlage
    nur Natur pur

    aber bei dir scheint es manchmal nicht anders machbar
    oder ?

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    • Absolut, manchmal muss ich da leider durch, aber ich spüre die kleinen Erfolge und das stimmt mich sehr froh. Auf einem Schiff hat es mich Seegang schon einmal fast vom Laufband gefegt. Eine sehr ulkig Situation.

      Ich kann dir nur zustimmen. Draußen ist es am schönsten, selbst wenn es zu heiß scheint oder die Augen zuzufrieren drohen.
      Aber so oder so, wir halten durch. Viel Spaß an der See. Es muss jetzt wieder traumhaft sein. Frühling.

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      • jepp. dafür habe ich mich heute morgen gleich mit etwas yoga und so beckenbodenzeugs abgeplagt. letzteres ist irgendwie sehr harter tobak, langweilig da kaum bewegung, präsizionsarbeit und unglaublich hart. (das hab ich jetzt gewählt, um meinem doch eher sitzenden lifestyle etwas aufzulockern)

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