Die Laufstrecke des Ironman Portugal spiegelte die Vielfalt der Landschaft dieser Region wider, angefangen von den charmanten Wegen entlang der Bucht und des Yachthafens von Cascais bis hin zur beeindruckenden Küstenstraße, die sich weit hinaus bis kurz vor dem Leuchtturm von Cabo Raso erstreckte.
Entlang der Küste gab es idyllische Ausblicke auf den zeitweilig glitzernden Atlantik, bis sich die über den Tag angenäherten tief hängenden Gewitterwolken von Wetterleuchten zu anhaltendem Regen wandelten. Die Ziellinie, am Ende des dreimal zu durchlaufenden Rundkurses, entpuppte sich als wahres Stimmungsnest. Genau an dem Ort, wo wir am Morgen unseren Schwimmstart hatten, sollte der Ironman Portugal und damit meine 7. Langdistanz zu Ende gehen.
Wie es mir auf der zum Teil anspruchsvollen Strecke im Gegenwind und Regen erging, erfährst du in der letzten Etappe unserer Rennberichtserie über den Ironman Portugal 2023. Sie führt uns auf die Laufstrecke, wo wir Athleten die finalen Kilometer auf der Marathonstrecke zurücklegten. Es gibt zudem einige Impressionen von der Siegerehrung, jede Menge Emotionen von der Zielgeraden und bei der Siegerehrung sowie mein Fazit zum Ironman Portugal.
Die Erinnerungen an die beeindruckende Radstrecke des Ironman Portugal und das großartige Schwimmgefühl verschmolzen auf diesem letzten Abschnitt zu einem unfassbar herausfordernden Erlebnis. Für mich war es weit entfernt von dem, was ich mir in den vergangenen Monaten vorgestellt hatte. Das fehlende Sommerwetter und die kühlen Bedingungen mit Dauerregen auf der letzten Runde waren eine unerwartete Wendung, die die Strapazen des Rennens noch verstärkten. Ob es wirklich eine gute Idee war, von all den Sprintdistanzen des Jahres eine Langdistanz nur wenige Wochen danach anzugehen? Mehr dazu am Ende.
Die letzte Etappe des Ironman Portugal 2023 versprach eine interessante Laufstrecke mit einer Witterung, die nicht zu meinen Lieblingen gehört. Und wenn du mich ein wenig kennst, dann weißt du, dass Sommerwetter eher das ist, wonach ich mich sehne. Letztlich war es nicht so schlimm, wie ich angenommen hatte und es lief in den anfänglichen 17° natürlich gut. Der Wind zehrte außerhalb des Stadtzentrums auf der zweiten, kühler werdenden Runde aber ordentlich aus. Regen tat es ihm in der letzten mit weiter fallenden Temperaturen gleich. Meine Glorify Sonnenbrille war vielleicht etwas optimistisch aufgesetzt. Beziehungsweise hätte ich sie im Wind gut aufsetzen können. Ich hatte aber immer das Gefühl, dass ich das verbleibende Licht brauche, bevor es schlussendlich dunkel wurde.
Die erste Runde jedoch verlief so, wie ich mir diesen 3. Abschnitt des Rennens vorgestellt hatte! Die Ironman Portugal Laufstrecke beginnt in Cascais am Hippodrom und führt entlang der Guincho Küstenstraße bis hinaus nach Cabo Raso, bevor sie wieder ins Zentrum von Cascais zurückkehrt. Aufgrund des oft windigen Wetters stellt diese Strecke eine besondere Herausforderung dar. Trotz der Anstrengung machte es jedoch Freude, die langen Geraden hinauf und hinaus zu laufen und die Küstenlandschaft zu genießen.
Dieser Abschnitt der Langdistanz präsentierte einen leicht profilierten Kurs über drei Runden, die jede für sich jeweils eine neue Herausforderung bereithielt. Während die erste Runde für mich darin bestand, ins Laufen zu kommen und die Strecke zu erkunden, war die zweite Runde der Übergang in die Dunkelheit. Die dritte Runde war reines Überstehen im Wind des Abends und des von Minute zu Minute zunehmenden Regens.
Die Landschaft der Atlantikküste wurde am Rande von Cascais draußen Richtung Cabo Raso wieder präsenter, was ich sehr genoss, obwohl sich kaum ein Zuschauer dort hinaus bewegte. Sie waren in der Stadt und am Hafen deutlich präsenter, so dass sie uns jede Runde mit neuer Energie hinaus Richtung Küstenstraßen schickten, wo der Wellengang zum Abend hin für ein unaufhörliches Rauschen sorgte.
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Nenne mich abergläubisch oder nicht, aber dass ich meine 7. Langdistanz ins Ziel bringe, stand nicht von Anfang an fest!
Während der Trainings hing immer mal wieder der Schatten der verflixten 7 über meine Gedanken. Mit 38 Starts bei Triathlons hatte ich ausreichend Erfahrung, wie man sich fühlen kann. Die Hälfte aller Langdistanzen brachte ich entweder verletzt durch Trainingsunfälle oder aufgrund meiner Erkrankungen nur mit extremen Kampf ins Ziel. Es lief definitiv nicht reibungslos während meiner 2023 Triathlon Saison und der Vorbereitung auf Portugal. Dass ich drei für mich sehr starke Sprints immer auf dem Podium finishen konnte, machte mich eher zurückhaltend mit meinen Erwartungen für den Ironman Portugal. Mal davon abgesehen, dass ich auch nach dieser Menge von langen und kurzen Triathlons immer noch einen wahnsinnig großen Respekt vor jedem Start habe. Und dieser Respekt endet weder nach dem Start oder während des Rennens noch im Übergang zur Laufstrecke.
Der Wechsel fühlte sich wesentlich schneller an, als er mit 8:01min tatsächlich war. Erklären lässt es sich einfach. Ich benötigte nicht nur einen Dixie Stopp sondern musste zunächst mein Fuji die schräge Rampe mit Kopfsteinplaster und weichen Beinen hinab schieben. Weil das alles andere als geschmeidig ging, hielt ich an, um meine Radschuhe auszuziehen und barfuß das halbe Hippodrom bis zu meinem Stellplatz zu umrunden. Von dort ging es ins Häuschen und anschließend zu den Wechselbeuteln. Dort aß ich direkt das erste Stück Ingwer, während ich mein Laufzubehör sortierte und meine Radsachen verstaute.
Ich entschied mich, den Alé Tri Suit anzubehalten. Er hatte sich schon bei meinen Sprints und Trainings in der Triathlon Saison 2023 bewährt und musste sich nun auch beim Marathon beweisen! So ging es mit dem zweiten Stück Ingwer im Mund Richtung Laufstrecke zum Run-Out-Bogen.
Mit riesiger Freude sah ich kurz Oliver, für den die Tage genauso lang, anstrengend und nervenaufreibend sind. Wann immer er mir über den Weg läuft oder fährt, bin ich beruhigt, dass es bei ihm auch noch läuft!
Bei mir entscheiden die ersten ein, zwei Kilometer des Laufens immer darüber, wie ich die Langdistanz finishe. Nach dem Nasenblutdrama auf dem Rad in Kanada, wanderte ich mehr als 30km durch die Gegend. In Portugal hatte ich zum Glück ein anderes Gefühl!
Mein Magen war leicht im Eimer. Die Schuld gebe ich den staubtrocknen und mit zu vielen Trockenfrüchten versehenen Riegeln. Die Stückchen Ingwer, die ich vorbereitet hatte, holten mich aus diesem Loch zum Glück etwas und vor allem zeitnah raus. Dixie Stopps gehörten dann aber auch zum Verlauf der Laufstrecke. Jede Runde einer, aber zum Glück war das Hineinspüren in meine Wade ganz ok. Zumindest wenn ich etwas weniger über den Mittelfuß und mehr Schlappschritt laufe.
Eine Zeit, die ich mir erträumen würde wie in Frankfurt mit 11 Stunden, würde es so oder so nicht werden. Dafür ließ ich in den Bergen auf der Radstrecke viel zu viel Zeit. Aber irgendwie würde es schon funktionieren, dass ich den Marathon laufe. Und solch Zuversicht habe ich zwar bei vielen Wettkämpfen, aber in diesem Moment fühlte sich mein Körper tatsächlich nicht so schlecht an.
DIE IRONMAN PORTUGAL LAUFSTRECKE
Vom Hippodrom aus ging es durch eine Zuschauermenge, die es so nirgends mehr auf der Strecke gab, in eine Seitenstraße hinauf zur Küstenstraße. Das Zentrum von Cascais mit hunderten Zuschauern sollte ich zum Ende der ersten Runde erleben. An ganz wenigen Ecken gab es kleine Stimmungsecken, die ich um so mehr genoss.
Von ganz unten auf Hafenhöhe ging es mit vielleicht 1% Steigung die ersten zwei Kilometer auf Klippenhöhe hinauf. Keine wahnsinnige Anstrengung in dem Moment, aber etwas, das mich zwei Mal pro Runde wirklich mürbe machte.
Man muss der Strecke jedoch zugutehalten, dass sie mir endlich den seit einer Ewigkeit ersehnten Blick auf den Atlantik gewährte!
Denn nach ungefähr 2 Kilometern hatten wir dort oben an manchen Passagen eine unverbaute Aussicht in die Weite. Die Schönheit dessen überstrahlte für mich dann auch den Abschnitt, der mit Wind und Regen in der Dunkelheit alle Register zog, um uns Athleten später im Ziel ankommen zu lassen!
Die erste Runde verging wie im Flug. Es ging auf und ab, mal mit dem Wind, mal dagegen. Ich konnte es kaum glauben, welches Glück wir mit dem Wetter hatten. Alles, was für den Abend und den nächsten Tag angekündigt war, sollte erst am Samstagabend eintreffen.
Hinaus bis nach Cabo Raso war es eine lange Gerade, die nach gut 6 Kilometern mit der Wende ein Ende hatte. Was sich bis dahin als ein guter Lauf anfühlte, wurde mit dem Wind auf der Gegenrichtung gleich zur doppelten Herausforderung. Die zwei leichten Anhöhen wollten auch auf dem Rückweg zum Hafen und Zielgebiet erst einmal gelaufen werden. Aber auf dem glatten Asphalt der Straße konnte ich auch das ein oder andere Tief gut wegstecken.
Unten in der Nähe des Hafens zu sein, markierte für mich jedes Mal das nahende Ende einer Runde. Die winzige Bucht mit seinem blau-weißem Leuchtturm ist das Bild des Ironman Portugals, dem ich immer wieder begegnet bin. Schon die Tage zuvor diesen Ort zu sehen und dort am Wettkampftag mehrmals entlang zu kommen, verkörperte für mich das Cascais, das ich mir erträumt hatte. Einen Moment Sonne und Wärme spüren, die Idylle dieser kleinen Stadt genießen und in die Weite des Atlantiks blicken.
Es muss nur wenige Meter danach am Ende der Brücke gewesen sein, dass gleich mehrere Kopfsteinpflastersteine fehlten. Dadurch dass es eine Hin- und Zurückstrecke ist, war ich damit beschäftigt, auf meiner Seite zu bleiben. Die Athleten vor mir wollte ich auf dem unebenen Weg nicht überholen, schaute aber nicht nach unten und trat genau in dieses Loch. Kaum vom Schreck des verdrehten Fußes erholt, folgte das nächste Loch auf dem Weg nach unten ins Hafengebiet hinein, das ich gerade noch so überspringen konnte. Zwei Passagen, die wie so manch andere ungesichert waren und ich mir definitiv für die Dunkelheit einprägen musste! Denn genau wie diese waren viele Passagen extrem schlecht beleuchtet.
Zum Glück merkte ich den verdrehten Fuß und wie sich später herausstellte die blau unterlaufenen Zehen nicht so stark. Ich entschied mich nur bei einem Dixie Stopp den Schuh etwas weiter aufzuschnüren.
Das kleine Hafengebiet unten wirkte geschäftig mit den zahlreichen Restaurants und Cafés. Später am Abend wandelte sich diese charmante Atmosphäre in eine dunkle Leere, die es bis zu den nächsten Verpflegungspunkten zu überbrücken galt. Es kam ein größerer Red Bull Stand, der bereits auf meiner ersten Runde verlassen schien. Dann kam die ersehnte Wasserstation. Ich nahm an allen einen Wasser- und Isobecher und auf der ersten Runde jeweils ein Gel, das meist für zwei Verpflegungspunkte ausreichte.
Nur wenige hundert Meter später befand sich eine kleine Wendepassage. Abseits von allem Geschehen. Ruhig und mitten auf dem Pier gelegen mit einem Helfer, der uns die Richtung zeigte.
Anschließend ging es Richtung Ziel und Ende der Runde weiter. Jedes Mal musste aber auf dem Weg die schräge Rampe überwunden werden, die wir uns bereits am Morgen nach dem Schwimmen hinauf kämpften. Es folgte eine wirklich schöner, gleichzeitig beeindruckender Abschnitt. Ich weiß nicht, ob es meine Lieblingspassage der Laufstrecke war. Vielleicht nicht. Denn die Leuchttürme, die lange Gerade raus nach Cabo Raso, der Ausblick auf den Atlantik an manche Stellen,… All das hatte unglaublich Charme, den ich am Tag der Abreise noch einmal genießen konnte. In jedem Fall waren diese letzten Meter vor dem Ziel und der Wende in den Straßen Cascais gesäumt von Zuschauern, die die Athleten mit Jubel und Beifall unterstützten. Und an dieser Stelle sogar bis tief in die Nacht.
Mich berührt es jedes Mal, wenn sich Menschen dafür Zeit und Energie nehmen, selbst im Regen für die Athleten auszuharren!
Und damit ging es nach einer guten Stunde auf die zweite Runde, die einen kleinen Eindruck davon vermittelte, was in der letzten, dritten Runde auf mich warten sollte. Der Wind nahm weiter zu. Die Regenwolken kamen näher. Die zwei kaum zu sehenden Anstiege krochen unermüdlich in meine Beine. In meinem Bauch rumorte es so sehr von diesen trockenen Riegeln mit Trockenfrüchten auf der Radstrecke, dass ich irgendwann die Gele sein ließ und mich auf süße Getränke und Wasser verließ.
Aber letztlich war ich nach dem Kanada Laufstrecken Debakel so froh, dass ich einfach laufen konnte.
Mein erster Marathon seit 4 Langdistanzen, den ich ohne Verletzung durch Trainingsunfälle oder durch Zwischenfälle lief! Was das für eine Bedeutung für mich hatte, kannst du dir gar nicht vorstellen.
Da waren die Magen- und Fußprobleme eine Kleinigkeit, die nur nervige Garnitur waren. Aber es war alles nichts, was mich davon abhalten konnte, dieses Ziel zu erreichen. Und genau darauf kam es an. Mit diesem Gefühl lief es sich raus nach Cabo Raso definitiv nicht von selbst. Die müden Beine eines müden Körpers mussten dennoch bewegt werden. Mit jedem Kilometer ging die Bewegung mehr vom Kopf aus. Um so wichtiger wurden diese kleinen Ziele, die auf der langen Geraden lagen.
Drei Leuchttürme befanden sich entlang der Ironman Portugal Laufstrecke. Der erste war unten in der Nähe des Hafens zu finden. Ein weiterer stand in unmittelbarer Nähe der Straße, in der unser gemietetes Tiny House zu finden war. Der dritte befand sich weit draußen bei Cabo Raso, war aber schon Kilometer vorher zu sehen. In der Dunkelheit warf er wunderschöne Strahlen in die Weite, die ich schon an diesem frühen Abend auf der zweiten Runde in der Dämmerung bewunderte. Auf dem Rückweg ließ sich zwar die Sonne nicht beim Untergehen beobachten, aber über den dunklen Wolken, die den erwarteten Regen preisgaben, breitete sich für einige Momente ein orangefarbener Schein aus.
Von da an wurde es deutlich kälter. Der Regen wurde vermutlich auch aufgrund des Gegenwindes so unangenehm, dass ich froh war, zwischendrin am Special Needs Beutel meine Jacke deponiert zu haben. Die zog ich bis zum Hafen an. Dort beruhigte sich kurzzeitig das Wetter, bevor es auf der dritten Runde Schwung aufnahm.
Meine Beine fühlten sich schon zu Beginn dieser letzten Runde nicht besonders verlässlich an. Es war jedoch wie immer.
Nur anhalten wäre schlimmer, als das langsame Dahintrotten.
Und mit den ruhigeren Geschwindigkeiten kamen die Athleten ins Gespräch. Hier und da lief ich mit einigen zusammen und wechselte einige Worte. Für einige war es die erste Langdistanz. Natürlich anders als erträumt bei diesem Wetter. Manche waren auf ihrer ersten oder zweiten Runde, hatten also entsprechend noch einiges vor sich.
Ich hangelte mich derweil nur noch von einer Wasserstation zur nächsten. Diese Verpflegungspunkte wurden an vielen Positionen für beide Richtungen der Laufstrecke genutzt. So waren sie wirklich dicht beisammen, was bei großer Hitze ein unglaublicher Vorteil ist. Für mich waren sie an diesem späten Tag die Abwechslung, die ich vor allem in der Dunkelheit brauchte. Es waren die perfekten Lichter in der Ferne, denen ich in der Nacht und im Regen entgegen sehnte. Und hier wurde ein wichtiger Punkt der Strecke offensichtlich. Die Laufstrecke befand sich auf der linken Seite, während rechts der Verkehr in eine Richtung rollte. Dort befanden sich allerdings auch die Straßenlaternen, die an einigen Passagen einfach nicht ausreichten, um ausreichend Licht für uns Läufer zu spenden. Wenn ich also Dunkelheit sage, dann meine ich es an dieser Stelle auch wirklich.
Nach Cabo Raso wurde auch deshalb der Weg wirklich unfassbar zäh. Als ich die Wende erreichte, machte das aber unglaublich viel mit meinem Kopf. Klar, waren es noch einmal gut 7 Kilometer. Aber wie die anderen Abschnitte auch, wusste ich genau, wo ich solch eine Strecke zu Hause laufen würde. Wie sie sich anfühlt. Wie lang ich normalerweise dafür brauchte und was in dieser Situation in Cascais realistisch war. Die kleinen Spielchen mit dem Kopf. Egal auf welcher Distanz du unterwegs bist oder egal in welcher Sportart, du kennst sie sicher auch. Zumindest hielten mich diese Gedanken so busy, dass ich die nächsten beiden Wasserstationen im strömenden Regen gut erreichen konnte.
Auch an dieser Stelle sei mein Respekt für die jungen Helfer erwähnt, die mit uns entlang der Strecke ausharrten!
Mit jedem Schritt näher zur Bucht von Cascais wurde die Laufstrecke angenehmer. Die Lichter wurden mehr. Hier und da waren Zuschauer unterwegs, die bei vorbeilaufenden Athleten anhielten und applaudierten. Nach all den Wettkämpfen in den USA und Kanada mit unzähligen Hotspots entlang der gesamten Marathonstrecke, fühlte ich mich mehr wie bei einem meinem einsamen Trainings… Aber das Ausbleiben der Zuschauer sollte vermutlich niemanden am Ziel hindern. Selbst wenn die Gehpausen sich an den Wasserstationen von Mal zu Mal verlängerten und ich mir ein paar Schlucke Wasser und Iso reinquälen musste.
DIE FINISHLINE DES IRONMAN PORTUGALS
Als ich das letzte Mal unten am Hafen war, war der Atlantik nur zu hören. Die Dunkelheit überschattete alles. Die wenigen Lichter flackerten durch den Regen und Wind in der Luft. Dennoch war es ein unbeschreibliches Gefühl, genau dort entlang zu laufen mit dem Wissen, dass es nur noch wenige Meter waren. Dass ich meine 7. Langdistanz tatsächlich ins Ziel bringen würde. Von dort aus war jede Runde die Musik der Zielgeraden zu hören. Hin und wieder schallten die Kommentatoren rüber, die alle Athleten gebührend im Ziel begrüßten.
Ich lief meine letzte abgelegene Wende, passierte die Helfer dort draußen in der Dunkelheit und lief letztmalig die Rampe hinauf zur Straße. Einige Athleten kamen mir entgegen und machten sich auf die zweite oder dritte Runde. Wahnsinn, was sie bei diesen Bedingungen des Dauerregens und Windes dort draußen leisteten.
Eine letzte Kurve markierte derweil für mich die Finishline. Jedes Mal wieder so ein besonderer, hart erkämpfter Abschnitt. Zwar waren nicht mehr so viele Zuschauer auf den Tribünen, wie noch die Runden zuvor, als ich meine Wenden am Ende der Zielgeraden lief. Aber dennoch war die Stimmung großartig.
Nach 12:41 Stunden war es auf dem rot-schwarzen Teppich endlich wieder soweit. Ich bekam die Worte zu hören, die mich in Gedanken manches Training für diese Langdistanz haben durchstehen lassen und mich auch bei diesem Wettkampf immer weiter laufen ließen:
„Nadin, you are an Ironman!“
Immer und immer wieder macht genau das diesen Ort, diesen Moment, all die Vorbereitung zu so etwas unfassbar Besonderem! Die Helferinnen im Ziel waren wirklich großartig in diesem Dauerregen. Die Medaille, ein Kompass als Bild für das Land der Entdecker, wartete mit einer Helferin im Regen förmlich auf mich.
Anschließend passierte nicht mehr all zu viel. Wie es immer so ist. Die Erschöpfung setzt schnell ein. Der Kopf scheint leer und gleichzeitig unglaublich voll. Die kleinen Stationen bis ins Finisher-Zelt lief ich langsam ab. Es gab etwas zu trinken, dann ging es auf die Suche nach einem passenden Finisher-Shirt, es folgten noch ein paar Fotos, die der Veranstaltung und Olli aufnahmen.
Ehe ich mich versah, erhielt ich meine „Morgen“-Sachen in einem Bruchteil von Augenblicken und saß auf einer Bank im Zelt. Ich nahm mir etwas Zeit für Essen, Trinken und einige kurze Gespräche mit Athleten im Finisher-Zelt, das wirklich leer wirkte für die Anzahl an Athleten, die an diesem Morgen an der Startlinie standen. Ich kam als 114 Frau von 400 Starterinnen ins Ziel. Mehr als die Hälfte der Athleten waren noch unterwegs. Die meisten Finisher vermutlich bei diesem Wetter schon im warmen Zuhause…
Dass die Zeit auf der Laufstrecke doch so schnell verstrich und ich mit 4:41 Stunden den Marathon ins Ziel bringen würde, überraschte mich. Aber ich kann definitiv sagen, dass ich wahnsinnig stolz darauf bin, gelaufen zu sein. Dass es sich flüssig anfühlte und ich mein Ziel – eine Langdistanz endlich mit einem guten Gefühl abzuschließen – mehr als erreicht habe.
Im strömenden Regen sammelte ich wenig später mein Fuji und alle Wechselbeutel im Hippodrom ein und machte mich auf den Heimweg ins Tiny House. Das Erlebte sacken zu lassen, würde noch etwas dauern. Ob Schlaf bei solch einem langen Abend möglich war, sollte sich noch zeigen. Sonst liege ich ja zu solch einer Zeit bereits entspannt im Bett.
Eine Frage, die ich mir während der Saison mit drei Sprintdistanzen stellte war, wie es sich anfühlt, sich nicht zu 100% für die Langdistanz zu verpflichten. Sechs Wochen lagen zwischen dem letzten Sprint und dem Ironman. Natürlich hatte ich bereits die gesamte Saison beides im Blick gehabt. Für die Sprints habe ich zu lang trainiert. Was sich aber positiv auswirkte, würde ich resümieren. Für die Langdistanz waren die Einheiten meist zu kurz.
Für mich funktionierte es gut, zumal ich so das machen konnte, worauf ich wirklich Lust hatte. So wie diese Langdistanz verlief hätte ich vieles anders machen können. Im Vorfeld und auch währenddessen, wenn ich jetzt zurückblicke. Aus der Situation heraus mit den Wadenkrämpfen nach dem Schwimmen, den Magenbeschwerden (total bescheuert wegen dieser Riegel) und dem verdrehten Fuß, habe ich aber richtig gut reagiert und immer gegensteuern können. Das Ziel ist letztlich einfach wichtiger und für mich viel mehr wert, als irgendeine Zeit, die ich mit mehr Mut und Training vermutlich deutlich Richtung dem Frankfurt Ergebnis hätte schieben können.
FAZIT ZUM IRONMAN PORTUGAL
Normalerweise feiere ich im Nachgang diese Veranstaltungen. Und ja. Das mache ich auch hier ganz zum Ende. Es gibt jedoch so manches ABER.
In Frankfurt und Zürich fiel es mir vielleicht nicht so auf, aber vier Ironman-Veranstaltungen später in den USA und Kanada zeigte mir die andere, großartige Seite solcher Großveranstaltungen. Die wunderbaren Details dieser Events, wie etwa der persönliche Assistent auf der Zielgeraden und auch die unzähligen Helfer, kommen mir leider in Europa zu kurz.
Vielleicht ist es auch ein Grund dafür, dass ich in den USA und Kanada mindestens 200 € mehr für einen Ironman bezahle, aber in Europa fehlt die Liebe zum Detail. So gab es zwar ein Finisher-Shirt (aus Baumwolle) und eine Medaille für uns Athleten, aber keine wunderbaren Kleinigkeiten, wie ich sie in den USA und Kanada erlebte. Das Finisher-Cap, die Fahne und bei einem der Starts in Florida sogar ein Poster und Pin der Veranstaltung fehlen komplett.
Ich kam als 600. ins Ziel, also etwa nach der knappen Hälfte der Athleten. Leider gab es zu diesem Zeitpunkt keine passenden T-Shirts mehr in meiner Größe, und ich musste auf ein einigermaßen passendes Männer-Shirt ausweichen. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es den Teilnehmern danach erging. Auch das Buffet war leer, obwohl theoretisch alles verfügbar sein sollte – dies war bereits wenige Minuten nach meinem Eintreffen nicht mehr möglich. Der Pizza- und zwei Getränkestände waren bereits geschlossen. Dabei war die offizielle Zeit für die letzten Finisher noch Stunden entfernt.
Aber wenn man aufgrund der Kosten abstriche machen muss, dann sollten zumindest die Gefahrenstellen angezeigt werden. Das wurde sowohl auf der Rad- wie auch Laufstrecke an einigen Stellen verpasst, was einen einen faden Beigeschmack hinterlässt. Denn was mit dem Auto gut zu befahren ist, kann mit dem Rad größere Auswirkungen haben. Ich bin sehr dankbar, dass ich mir die komplette Radstrecke vorab anschauen konnte.
Auf der Laufstrecke war es wahnsinnig hinderlich, dass einige Laternen abschnittsweise nicht funktionierten oder viel zu weit entfernt waren. In den USA und Kanada waren immer zusätzliche Laternen aufgestellt worden. Gefahrenstellen sah ich in Portugal so teilweise sehr spät. Zumindest ein Hütchen oder farbige Markierungen sind mehr als angebracht, wenn man schon keine Person platzieren kann oder möchte.
Als ich mehrere Athleten auf der Laufstrecke sah, die verletzt waren, fragte ich mich, wie sie ihre Sachen und ihr Fahrrad zurückbekommen. Bei den meisten anderen Veranstaltungen, die ich bisher besucht habe, ist es Standard, dass die Familie eine eigene Karte aus den Startunterlagen bekommt, die man als Athlet vorab ausfüllt. Dadurch muss der Athlet in solchen Fällen oder auch generell nicht persönlich vor Ort sein. In Portugal habe ich zumindest in meinen Unterlagen nichts gefunden.
IRONMAN PORTUGAL AWARD CEREMONY
Zum Abschluss jedes Ironman darf natürlich eins nicht fehlen. Die Ehrung der Athleten, die wie immer damit begann, dass alle Erwähnung fanden. Ein Video, das über Nacht zusammengestellt wurde – Respekt dafür – präsentierte uns noch einmal beeindruckende Momente des langen Wettkampftages.
Zwischenzeitlich stellte sich bei mir allerdings etwas das Gefühl ein, dass jeder Programmpunkt einfach abgehandelt werden sollte. So gab es keinen Celebration Day sondern „nur“ die Award Ceremony, die ziemlich uncharmant wirkte. Zumindest im Vergleich zu dem, was ich in vergangenen Jahren erlebte. Aber das passte genau in das Bild, das viele große europäische Wettkämpfe auf mich ausstrahlen und wie in der Woche mit der abgesagten Eröffnungsfeier umgegangen wurde. Und wo war das Finisher Frühstück? Mir ist klar, dass es nicht geplant war, aber in den USA und Kanada… Na du weißt schon.
Zurück zu den Awards. Was unglaublich schön war, war wie immer die Freude der Athleten, die sich in ihren Altersklassen mit beeindruckenden Zeiten nach vorn gekämpft hatten. Besonders war zudem, dass die Profis natürlich ebenfalls bei der Siegerehrung vor Ort waren und einige Worte zu ihren Leistungen zur Feier beitrugen. So wie der Sieger Pieter Heemeryck und die anderen vier Athleten Dylan Magnien, Antonio Benito Lopez, Thor Bendix Madsen sowie der viertplatzierte Patrick Lange, die auf die Bühne gebeten wurden und kurz etwas über ihre Erfahrung bei diesem Rennen schildern konnten.
Es freute mich besonders, Profi-Triathletin Anne Reischmann voller Glück über ihre ersehnte Qualifikation für die Ironman World Championship der Frauen in Nizza auf dem Podest zu erleben. Und natürlich auch die Siegerin Marjolaine Pierre und die anderen Profi-Athletinnen, die besonders geehrt wurden.
Rückblickend begeisterte mich die Strecke und die einfache Anreise, neben den Helfern! Die Helfer, all die Pfadfinder an den zahlreichen Verpflegungsstationen waren großartig. Es waren Kinder und Jugendliche einer Schule, die uns sprichwörtlich am Laufen hielten!
Würden mich Triathleten fragen, wo sie ihren ersten Ironman mitmachen sollten, dann würde ich ihnen definitiv die USA empfehlen. Dort werden alle Athleten ob Profis oder Erststarter wie Helden gefeiert. Von der Anmeldung bis zum Tag nach dem Wettkampf – mit der Eröffnungsfeier und einem abschließenden gemeinsamen Essen und der Finisher Party!
Hat Dir unsere Beitragsreihe zum Ironman Portugal 2023 gefallen? Dann lasse ein Kommentar da, wir freuen uns sehr darüber! Falls du noch nicht alle Teile zu dieser Langdistanz angeschaut hast, findest du hier eine Übersicht:
Ironman Portugal 2023: Radstrecke
Ironman Portugal 2023: Wettkampfmorgen & Schwimmstrecke
Ironman Portugal 2023: Startunterlagen, Wettkampfbesprechung & Bike Check-In
Alle hier gezeigten Fotos wurden wie immer von Oliver Eule aufgenommen. Die Rechte an diesen Fotos liegen bei ihm und mir. Eine weitere Nutzung der Fotos ist in Absprache mit uns gerne möglich. Bei Interesse schreibt uns bitte eine E-Mail, um Details der Nutzung auf Social Media, Webseiten oder Printmedien zu klären.
Als Triathletin & Autorin von Eiswuerfel Im Schuh bin ich zusammen mit meinem Sportfotografen immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung und neuen Bildmotiven. Als Julimädchen liebe ich die Sonne, das Meer und den Sand zwischen den Zehen, genieße aber auch die Ruhe auf meiner Yogamatte oder auf einem Surfbrett.