Werbung | Die berühmte Schrittzahl gilt als goldener Standard für mehr Gesundheit im Alltag. Doch was ist wirklich dran an diesem Mythos – und wie sinnvoll sind 10.000 Schritte für sportlich aktive Menschen, die ohnehin regelmäßig trainieren? Obwohl ich als Triathletin und Yoga-Coachin viel in Bewegung bin, sitze ich oft und lange am Schreibtisch. Auch deshalb schätze ich die wohltuende Wirkung bewusster Bewegung über den Tag verteilt.
In diesem Beitrag gehe ich der Frage auf den Grund, wann Schritte eine Unterstützung sind, wann sie zur Belastung werden – und wie du deinen persönlichen Rhythmus findest, ohne dich von Zahlen verrückt machen zu lassen. Warum der Mythos der täglichen Schrittzahl motiviert, aber nicht immer zu unserem Körpergefühl passt – und wie du als Sportlerin dennoch in Bewegung bleibst, ohne dich zu überfordern. Für mehr Achtsamkeit, mehr Körpergefühl – und mehr Bewegung bewusst verteilt in deinem Alltag.
DER PERFEKTE MONAT VOLLER SCHRITTE
Es ist Juli. Ein perfekter Monat – ein perfekter Monat voller Schritte. Jeden einzelnen Tag des Monats standen 10.000 Schritte auf meinem Garmin Forerunner!
Es ist Hochsommer. Zumindest teilweise. Entweder der Duft von heißem Asphalt liegt über den Straßen und die Sonne brennt oder es regnet bei kühlen Temperaturen. Sommer in Deutschland. Aber dennoch – jetzt ist Bewegung draußen. Ich bin Triathletin, und doch – mein Alltag sieht manchmal eher nach Schreibtischmarathon als nach Laufstrecke mit dem Lieblingslaufschuhen erobern aus. Zwischen Laptop, E-Mails und virtuellen Meetings vergehen Stunden, in denen ich sitze. Viel sitze. So wie viele von uns. Ich kann das wirklich sehr gut dieses Marathonsitzen!
Aber im Juli wollte ich es wissen – wie schlimm kann dieses ganze Bewegen jeden einzelnen Tag sein – wenn man im Triathlon Training steckt?
10.000 Schritte. Täglich. Die magische Zahl, die angeblich gesund hält, die den Stoffwechsel ankurbelt, die Herz-Kreislauf-Risiken senkt und das allgemeine Wohlbefinden steigert. Aber stimmt das? Haben wir Ausdauersportler etwas davon? Was passiert, wenn diese Schritte auf einen Körper treffen, der ohnehin schon trainiert, der bereits auf Hochtouren läuft?
URSPRUNG EINES MYTHOS
Hier haben Marketing Strategen gelungene Arbeit geleistet! Die 60er Jahre, ein japanischer Konzern, eine ausgedachte Zahl und fertig war die Werbekampagne. Damals brauchte es keine evidenzbasierte Grundlage für ein japanisches Unternehmen, um in den Köpfen der Menschen hängen zu bleiben. Im Gegenteil, auch heute noch ist sie die Grundlage für „lass uns 10.000 Schritte am Tag gehen“-Ideen. Statt wissenschaftlich fundiert stand die Motivation und Machbarkeit im Vordergrund. Und dass die Zahl natürlich ziemlich gut auf dem Schrittzähler aussieht.
ZWISCHEN BEWEGUNG UND BELASTUNG: WAS STUDIEN SAGEN
Es ist definitiv ein weites Feld, das immer wieder gern Grundlage für Studien ist. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die 10.000-Schritte-Regel so oft unter die Lupe genommen, dass der Blick in Google Scholar für Tage der Beschäftigung sorgen kann, weil es einige Studien und Meta-Analysen durchzulesen gibt.
Eine in diesem Sommer erschienene systematische Review zeigt, dass bereits 7.000 Schritte am Tag positive gesundheitliche Auswirkungen haben kann. Vor allem für die Menschen, die sich nicht all zu viel bewegen.
Andere Studien zeigen, dass die Intensität der Bewegung entscheidender ist als die bloße Anzahl. Moderate bis zügige Spaziergänge wirken sich stärker auf Herz-Kreislauf-Funktionen und Blutzuckerregulation aus als gemächliche Bewegungen. Wieder andere zeigen, dass einfache Spaziergänge einen großen positiven Nutzen für die mentale Gesundheit darstellen kann. Andere zeigen, dass die regelmäßige Bewegung über den Tag verteilt, den größten Nutzen haben kann.
Kurzum: Ja, Schritte helfen – aber sie sind kein Allheilmittel. Und: Der Kontext zählt. Ganz besonders für Menschen, die regelmäßig aktiv sind oder eben auch Sportler:innen.
ZWISCHEN ALLTAG & TRIATHLON TRAINING – EIN BALANCEAKT
Als Triathletin kenne ich das Spannungsfeld nur zu gut. Ich trainiere regelmäßig – schwimme, laufe, fahre Rad. Intensiv. Zielgerichtet. An Ruhetagen ist es einfach: Ich gehe spazieren. Locker, wenn ich es aushalte, nicht loszurennen. Es ist aktive Regeneration, ich genieße die Bewegung, atme durch und lüfte meinen Kopf von der oft mental herausfordernden Arbeit. Mein Körper dankt es mir.
Aber an Trainingstagen, wenn ich Schwimm- oder Radeinheiten geplant habe, sind zusätzliche 10.000 Schritte eine enorme Herausforderung. Es stellt sich dann immer die Frage nach der Sinnhaftigkeit. Extra 8-10 km zu gehen oder zu laufen, wirkt nicht selten kontraproduktiv und unnötig.
Mein Körper ist müde, die Muskeln fordern Pause bzw. fordern eine ganz andere Art von Bewegung.
Mobilisationstraining oder Yin Yoga sind dann für mich eher das Mittel der Wahl. Beides fördert Beweglichkeit, die nach Schreibtischarbeit oft genauso notwendig ist, wie die Unterstützung des Körper in die Entspannung zu kommen.
Der manchmal – gerade diesen Juli – meldete sich dann mein Kopf, der meinte, ich sei nicht genug gegangen. Und tatsächlich passten die 10.000 Schritte sehr gut in diesen Monat hinein. Aber nur, weil ich mein Training etwas reduzierte.
Ansonsten ist das der Moment, in dem wir Ausdauerathleten uns die Frage stellen müssen:
WANN WIRD BEWEGUNG ZUR BELASTUNG?
Nicht jede Bewegung ist automatisch gesund. Das klingt kontraintuitiv – gerade für sportbegeisterte Menschen, die gern etwas mehr trainieren als der Durchschnitt. Doch wer bereits mehrere Stunden pro Woche trainiert, braucht nicht zwingend zusätzlich 10.000 Schritte pro Tag. Insbesondere dann nicht, wenn die Regeneration ohnehin schon zu kurz kommt.
Denn jeder zusätzliche Kilometer zu Fuß ist auch ein Reiz. Und Reize brauchen Erholung. Sonst steigern wir nicht unsere Fitness, sondern Verletzungsrisiken und eventuell sogar hormonelle Dysbalancen.
Besonders in intensiven Trainingsphasen ist Regeneration kein „Soft Skill“, sondern ein elementarer Bestandteil der Leistungsentwicklung.
Aber das sag mal meinen Beinen und meinem Kopf!
SPAZIERENGEHEN IST NICHT LAUFEN!
Ich merke es immer wieder: Wenn ich versuche, meine Schritte zu sammeln, verfalle ich fast automatisch ins Laufen. Mein Körper kennt den Bewegungsfluss, kennt das Lauftempo. Der Spaziergang erscheint dagegen oft langatmig und langsam. Damit ich nicht losrenne, schleppe ich nicht selten etwas zu trinken mit. Etwas, das garantiert nicht in eine Hosen- oder Jackentasche passt!
Hier hilft mir oft einfach ein Perspektivwechsel: Sieh Schritte nicht als Pflicht, sondern als Werkzeug zur Regulation. Mehr Bewegung ist nicht immer besser – kluge Bewegung ist es. Was mich oft an den Satz von Dr. Ronald Steiner, auch Yogalehrer und ehemaliger Triathlet erinnert: „Bewegung ist dann besonders gesund, wenn sie vielfältig ist“.
Und wie viel Vielfalt stecken in 10.000 Schritte am Tag, die wir stoisch einfach um der Zahl wegen absolvieren?
Ich nutze an trainingsfreien Tagen und an Tagen, an denen ich Erholung brauche lieber passive oder alternative aktive Erholung: sanftes Yoga, Faszienmassagen, Atemübungen, Mobility oder einfach: Nichtstun mit Bewusstsein.
SCHRITTE IM ALLTAG: ENTLASTUNG STATT VERPFLICHTUNG
Und doch liebe ich sie – diese Spaziergänge. Vor allem an Tagen, an denen das Home Office zur Belastungsprobe wird. Wenn mein Kopf glüht, meine Augen müde werden und ich das Gefühl habe, dass mein Körper in der Sitzhaltung einzufrieren droht. Dann ist ein Spaziergang keine Pflicht, sondern ein Geschenk. Sie dürfen dann auch viel kürzer sein als die „vermarkteten“ 10.000 Schritte. In der Frühstücks- oder Mittagspause. Einfach losgehen. Der Blick in die Weite. Das Licht, das durch die Bäume fällt. Das ist keine Schrittzahl. Das ist Selbstfürsorge.
Damit ich an solchen Tagen auch wirklich vor die Tür gehe – und nicht doch vor dem Bildschirm hängen bleibe – habe ich mir über die Zeit einige Strategien zurechtgelegt, die mir helfen, Bewegung ganz natürlich in meinen Alltag zu integrieren.
- Ich plane mehrere kurze Spaziergänge statt einer großen Runde. Statt mir eine Stunde am Stück freizuschaufeln (die ich eh nie finde), gehe ich morgens und mittags oder abends lieber eine kleine Runde raus.
- Ich nutze die Mittagspause als Reset-Knopf. Zwischen zwei Terminen kurz raus – das ist mein Geheimrezept gegen den Nachmittags-Durchhänger. Selbst 15 bis 20 Minuten frische Luft machen einen riesigen Unterschied – vor allem in der dunkleren Jahreszeit. Ich komme zurück und fühle mich wie ausgetauscht.
- Ich setze mir kein Schrittziel, sondern ein Bewegungsvorhaben 15 Minuten bewusst über die „Hausberge“ gehen statt „10.000 Schritte schaffen“. Das nimmt den Druck raus und macht Platz für das, was wirklich zählt: bei mir anzukommen.
- Ich mache Spaziergänge interessanter. Manchmal brauche ich Input für meinen Kopf: einen guten Podcast, Musik oder ein Telefonat mit der Familie. An anderen Tagen genieße ich bewusst die Stille. Beides ist erlaubt.
- Ich gehe auf Qualität, nicht auf Quantität. Lieber 10 Minuten bewusst durch den Park als 30 Minuten abgehetzt durch die Straßen. Ich spüre in meinen Körper hinein, nehme meine Umgebung wahr und lasse den Tag auf mich wirken.
- Ich höre auf meinen Körper. An manchen Tagen brauche ich das Laufen – Laufen als regenerierendes Training. Langsam, locker. An anderen Tagen will ich nur langsam vor mich hin schlendern. Ich zwinge mich zu nichts – mein Körper weiß meist selbst, was er braucht.
Und ganz wichtig: Ich erlaube mir auch Pausen. Nicht jeden Tag muss perfekt sein. Manchmal möchte ich nicht raus, und das ist okay.
WARUM ICH MEINE BEWEGUNG ÜBER DEN TAG VERTEILE
Unser Körper ist nicht dafür gemacht, nach einer Aktivitätsphase 10, 12 oder gar 14 Stunden am Stück zu sitzen. Das ist ungefähr so, als würde ich mich einen Tag lang gesund ernähren und dann drei Tage nur von Fast Food leben.
Deshalb teile ich meine Bewegung heute bewusst auf. Bewegung am Morgen – egal wie sie aussieht. Ein Reset-Gang in der Mittagspause, wenn mein Kopf qualmt oder die geplante Triathlon Trainingseinheit. Laufschuh anziehen und raus an die Luft. Und abends noch einmal mobilisieren, Faszienmassage, Yoga,…
Diese kleinen Unterbrechungen durchbrechen nicht nur das stundenlange Sitzen, sondern geben meinem Stoffwechsel regelmäßig neue Impulse. Meine Durchblutung kommt in Schwung, meine Wirbelsäule darf sich strecken, und mein Geist bekommt die Pausen, die er braucht. Das Ergebnis: Ich bin den ganzen Tag über wacher, ausgeglichener und weniger verspannt. Und! Ich lege immer wieder meine Lauftrainings in die Mittagspause. Statt morgens mein gesamtes Training zu absolvieren und den Tag zu sitzen, beginne ich sehr früh mit der Arbeit. So kann ich mittags eine längere Pause für meine Lauftrainings einplanen. Absolute Win-Win-Situation, wenn es um einen ausgewogenen Alltag geht und Schritt- aber auch Bewegungsziele!
WAS IST DEIN MASS DER SCHRITTE?
Die eigentliche Frage lautet also nicht: Wie viele Schritte brauche ich? Sondern: Was tut mir gut?
Und diese Frage hat so viele Antworten wie Menschen auf dem Weg. Wer sich wenig bewegt, für den sind tausende Schritte ein wertvolles Ziel. Aber es müssen nicht unbedingt die 10.000 sein.
Wer täglich trainiert, braucht andere Maßstäbe – und eine feinere Wahrnehmung für die eigene Belastung. Die Schritte werden dann nicht zum Maß der Dinge, sondern Teil deines Alltags, in dem auch andere Bewegungsmuster eine Rolle spielen.
10 Erkenntnisse aus meinem Alltag als Triathletin
- Schritte sind nicht gleich Training. Spaziergänge sind wertvoll – aber sie ersetzen kein gezieltes Training. Und Training ersetzt keine Bewegung im Alltag.
- Ruhetage leben von Bewegung. Sanfte Spaziergänge fördern die Regeneration, wenn sie ohne Leistungsdruck geschehen.
- Nicht jede Uhr kennt dein Leben. Wearables können motivieren. Sie können dir Tendenzen aufzeigen. Aber sie messen nicht, wie du dich fühlst.
- Laufen ist nicht Spazieren. Bewusstes Gehen entschleunigt. Wer läuft, überspringt oft das, was eigentlich gebraucht wird: Ruhe.
- Bewegung hilft gegen das Sitzen. Wer lange arbeitet, profitiert enorm von kurzen Spaziergängen oder Bewegungseinheiten – auch unter 10.000 Schritten und auf einer Yogamatte.
- Mehr ist nicht immer besser. Besonders bei hoher Trainingsbelastung kann zu viel Bewegung kontraproduktiv sein.
- Bewusste Pausen zählen auch. Nicht jeder Tag muss „erfüllt“ sein – auch Nicht-Schritte können Gutes bewirken.
- Der Körper kennt das Maß. Wer auf ihn hört, findet oft schneller zurück ins Gleichgewicht als jeder Algorithmus.
- Schritte motivieren. Aber sie definieren weder mich noch meinen Alltag und die bevorzugte Bewegungsart.
- Bewegung ist Beziehung. Zu dir. Zu deiner Umwelt. Zu deinem Alltag. Sie beginnt nicht bei 10.000 – sondern beim ersten Schritt oder noch weiter gedacht, bei der ersten Minute Bewegung.
Weitere Erkenntnisse:
- Der gesundheitliche Nutzen steigt nicht linear mit der Anzahl der Schritte.
- Die Intensität der Bewegung ist mindestens so wichtig wie die Quantität.
- Schon 4.000–5.000 Schritte täglich bringen spürbare Vorteile bei zuvor inaktiven Personen.
- 10.000 Schritte oder mehr können sich bei gut trainierten Menschen lohnen – vorausgesetzt, der Körper hat auch Zeit zur Regeneration.
FAZIT: VOM MYTHOS ZUM MASS DER DINGE
Die 10.000-Schritte-Regel ist für ich kein Dogma – sondern ein wertvoller Impuls. Sie erinnert uns daran, dass unser Körper gemacht ist für Bewegung. Doch was sie nicht ist: Ein Maßstab für Leistung oder Wert.
Ob ich 3.000, 7.000 oder 12.000 Schritte am Tag gehe, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass ich mich bewege – mit dem richtigen Maß, zur richtigen Zeit, im Einklang mit meinem (Trainigs) Alltag und mit dem, was mein Körper braucht. Und manchmal – ja manchmal – darfst ich auch einfach nur sitzen oder auf einer Yogamatte herumliegen. Und das mit richtig gutem Gewissen.
[Photo Credits: Oliver Eule / eiswuerfelimschuh.de] | Alle hier gezeigten Fotos wurden wie immer von Oliver Eule aufgenommen. Die Rechte an diesen Fotos liegen bei ihm und mir. Eine weitere Nutzung der Fotos ist in Absprache mit uns gerne möglich. Bei Interesse schreibt uns bitte eine E-Mail, um Details der Nutzung auf Social Media, Webseiten oder Printmedien zu klären.
Als Triathletin & Autorin von Eiswuerfel Im Schuh bin ich zusammen mit meinem Sportfotografen immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung und neuen Bildmotiven. Als Julimädchen liebe ich die Sonne, das Meer und den Sand zwischen den Zehen, genieße aber auch die Ruhe auf meiner Yogamatte oder auf einem Surfbrett.
Hallo Din,
Ich denke du hast es sehr schön beleuchte und in deinem Fazit super zusammen gefasst.
Wichtig ist, das man sich bewegt! Erst wenn ein festes Ziel dahinter steht, sind zahlen und andere Impulse wichtig!
Auf zu mehr Bewegung! 😉
Beste Grüße
Olli
Hey Olli, danke für deinen Kommentar. Dann sind wir ja auf einer Wellenlänge. Und ja, auf zu mehr Bewegung, vor allem, weil wir jetzt den dunkleren Tagen entgegengehen.