Halbmarathon – Bilanz des 5. AirportRuns

Der 5. und voraussichtlich letzte AirportRun auf dem neuen Berliner Flughafen (BER) bei Schönefeld fand am letzten Wochenende statt und lockte auch mich mit der Aussicht über die Baustelle zu laufen. Die neue südliche Start- und Landebahn, die neuen Terminals und Rollfelder konnten inspiziert werden, falls man nicht zu sehr vom Laufen und dem Wind abgelenkt wurde.

Mit etwas Verspätung, dafür aber mit einem neuen Teilnehmerrekord (2.125), begann das Spektakel mit ungewohnt wenigen Zuschauern – die vereinzelt sichtbaren Streckenposten gaben aber alles, um den windgeplagten Läufer zu motivieren. Genau dieser Wind war es, der mich vor dem Startschuss neben den vollkommen überfüllten Mini-Startblöcken, abschreckte, mir blaue Lippen und lila Hände verpasste. Wenigstens blieb mein Oberkörper mit dem Infinity Wind Shirt warm verpackt.

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Meine Motivation für meinen ersten Halbmarathon ging steil bergab. Ich wollte den HM nur mitlaufen wollte, um endlich ein paar mehr Wettkämpfe mitzumachen als nur einen Marathon pro Jahr und damit ich schnell etwas mehr Wettkampferfahrung sammeln kann. Mich bringen leider viele Läufer immer wieder aus dem Konzept und irgendwann muss sich das doch schließlich ändern.

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Der Startschuss war gefallen, die Anspannung löste sich aber nur kurzzeitig, meinen Beinen fehlte scheinbar die nötige Ernsthaftigkeit für die Situation und irgendwie hingen sie nur an mir dran, taten aber letztlich was sie sollten: laufen! Mir vielen all die Fehler ein, die ich während der letzten zwei  Wochen Vorbereitung gemacht hatte – Ernährungsumstellung (wer macht denn bitte kurz vor einem Wettkampf so etwas!?), zu viel Alternativsport (Yoga & Radfahren), zu viel Tapering (zu wenig Training, dafür entspannt), zu wenig Schlaf…

Ich wusste nur eins, ich kann 17km mit einem 5er Schnitt laufen, also warum nicht wenigstens das umsetzen. Mein Forerunner 610 war gestartet und ich wollte, dass mein virtueller Partner eine Pace von 5:10 einschlägt. Wenn ich die 17km mit so einer Geschwindigkeit durchgängig trotz des Windes laufe, kann ich den Rest auch mit 6 Minuten pro Kilometer verhauen und trotzdem noch eine gute Zeit bei rausbekommen. Mein Ziel war es wenigstens unter 2h zu bleiben und mein Wunsch waren die 1:54h.

Mit dem ersten Anstieg begann ich, endlich wieder Muskeln zu spüren und meine Stimmung hob sich weiter mit dem Rückenwind, bei dem man Kräfte aufsparen konnte. Eine gähnende Leere macht sich plötzlich im Magen breit, mein Ernährungsplan sah nur zwei Bananen zum Frühstück vor. Ich dachte mein kleines Männchen in der Uhr würde nun davon laufen, aber ich blieb dran und er erwies sich als guter Partner, was viele Motivationsvorteile hat. Denn schon die klügsten Jedis wussten: Immer zu zweit sie sind – und das blieben wir.

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Meine Gedanken kreisten um ein leckeres Essen und der zähe, ältere Herr vor mir mit seinem neonfarbenen Laufshirt mit der Aufschrift ‘Pfannkuchen’ machte es mir nicht wirklich leichter, an etwas anderes zu denken. Zum Glück war er bei Kilometer 10 verschwunden und ich hing mich an eine rote Hose, dachte nur dranbleiben und ab und an auf die Pace schauen, die mir zum Glück durch Vibration mitgeteilt wurde. Sandstürme und Gegenwind machten meinen Heuschnupfen geplagten Augen zu schaffen, da half auch keine Laufbrille und meine Kraft in den Armen schien auch zu schwinden. Wildes Rumgeklicke auf dem Forerunner wäre da wirklich nicht drin gewesen, auch wenn ich im Startbereich bewundernde Blicke dafür erhielt und ein Mitläufer am liebsten selbst mal draufgefasst hätte.

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Kilometer für Kilometer schob ich mich voran – immer die Hoffnung habend, dass ich tatsächlich um die 1:55h laufen könnte. Ich sagte mir jeden einzelnen Kilometer, dass ich noch einen weiteren im 5er Schnitt laufen muss, um am Ende langsamer sein zu können. Aber es gab keinen Grund langsamer zu werden, denn die Kraft war irgendwie da und ich brauchte auch danach für nichts und niemanden Kraft zu haben. Ich sollte mich endlich trauen, auch einmal etwas zu riskieren, einfach schnell weiterzulaufen! Die yogagleiche Konzentration hielt auch an, bis mich etwa bei km 16 ein Topmodel mit überirdisch langen Beinen fast schwebend überholte. Wie machen das solche Läufer? Woher nehmen sie ganz plötzlich die Kraft so an einem vorbeizuschießen, also wären es ihre ersten Meter?

Ich ließ nicht locker, die rote Hose auch nicht, und bei km 18 fühlte ich mich wieder so fit, um auch das Model langsam einzuholen, aber plötzlich war er wieder da. Der Mann mit den Pfannkuchen, der so kurz vor der Gegenwind-Passage genauso ein Gefühl auslösen kann, wie der Mann mit dem Hammer. Mein kleines Männchen lief immer noch mit mir statt voraus und ich bog ein in die anstrengendsten 1500m meiner gesamten Laufkarriere – einen so heftigen Wind habe ich noch nie erlebt, meine Pace sank von jetzt auf gleich auf fast stehende 5:30.  Ich war vollkommen allein, niemand vor mir, niemand hinter mir. Ich lief, legte mich in den Wind und sah das Ziel, das einfach nicht näher kommen wollte und das ich dann irgendwie doch erreichte, mit dem guten Gefühl in der zweiten Hälfte alles gegeben zu haben.

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Mit 1:47h habe ich mehr erreicht als ich mir wünschen konnte und Platz 29 bei den Frauen und Platz 4 in meiner Altersklasse lassen auch keine Wünsche offen. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Wettkampf mit meinem virtuellen Partner, der mich motivierte und immer auf dem Laufenden gehalten hat.

Halbmarathon – Bilanz des 5. AirportRuns

20 Gedanken zu „Halbmarathon – Bilanz des 5. AirportRuns“

  1. So eine Zeit laufen und dann noch so einen entspannten Eindruck auf dem Zielfoto hinterlassen… nicht schlecht 😉

    Das mit dem virtual Partner finde ich ganz spannend. Ich hab das bei meinem 305er noch nie getestet – werd ich aber jetzt mal tun.

    Ich muß auch mal dringend einen Lauf etwas offensiver angehen. Beim letzten HM hatte ich z.B. das Zuel unter 2h zu bleiben und bin dann konstant mit einem 5:40er Schnitt gelaufen. Da wäre bestimmt noch mehr drin gewesen. Aber dafür fehlt mir wahrscheinlich auch die Wettkampf-Erfahrung um einschätzen zu können, was geht und was nicht.

    Also nochmal Glückwunsch zu dem tollen Lauf. Vierte in der Altersklasse bei einem Lauf mit über 2000 Teilnehmern? Respekt!

    LG Carsten

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    • Din, komm gib`s zu: Du machst Yoga eigentlich nur, um nach so einem Lauf noch entspannt gucken zu können. 😉

      Meine Glückwünsche hast Du ja bereits, aber der Bericht macht Spaß und Lust auf mehr!

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      • Danke euch, für´s Vorbeischauen 🙂

        @MissMonster: wusaa, so habe ich das noch nie gesehen. Ich gebe mir die größte Mühe immer total lässig auszusehen. Nein, also letztes beim Marathon sagte man mir, ich soll im Ziel nicht immer so trübsinnig schauen. Ich gelobte Besserung!

        @tAXMAN: warste dann wohl zu schnell weg.
        Mit Verpflegung unterwegs steh ich auf Kriegsfuß; von Gel wird mir übel, Riegel sind wie Brett im Bauch und Getränke immer zu kalt, deshalb versuche ich so lang ohne alles zu laufen, wie es geht. Rächt sich natürlich beim Marathon.

        @Laufhannes: ja, was soll ich sagen, totale Fehleinschätzung, ich bitte um Gnade. Ich wusste nicht, was ich erwarten kann und hatte Angst zu versagen… Also habe ich eine grobe Schätzung abgegeben 😉

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  2. Spitzen-Bilder habt ihr da gemacht! Hat dein garmin auch weniger gemessen – die Strecke war um ca. 500m zu kurz. Hat man aber gar nicht gemerkt bei dem Wind 🙂 Glückwunsch nochmal für die tolle Zeit. Und 4. Platz in deiner AK kann sich ja mehr als sehen lassen!

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  3. Super geschrieben, sehr schöne Fotos!! Gratuliere dir (nochmal) zur gelungenen HM-Premiere. Mein erster HM war bei nur 1:57 – schneller war’s damals nicht gegangen.

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  4. Herzlichen Glückwunsch zu dieser klasse Leistung. Manchmal geht ja wirklich mehr als man selber glauben mag. Einfach mal nicht zuviel über das Laufen nachdenken, sondern an Pfannkuchen, das muss ich mir merken!

    Sehr schöner Bericht, den Wind konnte man richtig spüren.

    Weiterhin viel Spaß.

    Grüße Kay

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  5. Sehr schöne Fotos, super geschrieben! Gratuliere dir (nochmals) zum tollen HM-Debüt. Meines war damals mit 1:57 nicht so gut – schneller wäre es da nicht gegangen.

    Lg,
    @aigu

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  6. Gratuliere dir von Herzen. Tolle Geschichte, ganz toller Lauf, aber auch tolle Bilder. Wobei dein Strahlen beim Zieleinlauf (Foto mit erhobener Hand) beeindruckend ist. Man merkt dir hier die Freude über deine Leistung an und du trägst diese auch stark nach außen! Freu mich für dich!!

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  7. Ein wirklich kurzweiliger Bericht über den Lauf gespickt mit persönlichen Eindrücken! Wirklich klasse zu lesen…
    Herzlichen Glückwunsch zu der Super-Zeit!!

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    • Ganz vielen lieben Dank, dass ihr alle vorbeigeschaut habt, euch den ausscheifenden Erzählungen angenommen habt und ein Kommentar hinterlassen habt! Natürlich auch ein dickes Dankeschön für die vielen Glückwünsche! Ich freue mich sehr!

      @Pierle, ja, mit meiner Erfahrung ist es auch nicht so weit her. Ich denke, es kommt mit der Zeit. Ich habe immer Angst zu schnell zu beginnen und nach hinten raus keine Kraft mehr zu haben. Mein Training hatte ich aber so umgestellt, dass ich etwas langsamer beginne und dann schneller werde. Das hat schon ein wenig geholfen.

      @Marek, ja, die Strecke scheint einen Hauch kürzer gewesen zu sein, allerdings kann ich dir beim besten Willen nicht sagen um wie viel; denn klar, wieder ich, habe vergessen den Forerunner zu starten…

      @Laufmeister & @ultraistgut, man muss sich auch mal etwas trauen, dass stimmt! Beim nächsten Mal versuche ich, noch etwas mehr am Ende zu geben. Hier waren die letzten Kräfte gut für die letzte Passage aufgehoben.

      @silberläufer, ich habe mir für dieses Foto wirklich die letzten Reserven organisiert 😉 Danke dir!

      @Maddin, ja, die Bananen waren es vielleicht. Ich laufe immer besser, wenn ich etwas weniger gegessen habe; zumindest bis etwa 25km, dann wirds natürlich kritisch…

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  8. 1:54 wünschen und 1:47 laufen? Was ist denn das für ein Understatement bei dem Wind? Super! – Das war sicher genau die richtige Taktik. Herzlichen Glückwunsch.

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  9. Schöner Bericht, der sich weitestgehend mit meinen Eindrücken deckt – ich habe nur irgendwie den Sandsturm verpasst. 😉
    Ich esse vor Wettkämpfen – Lauf, Triathlon, … – eigentlich immer Toast/Brötchen mit Honig. Das bringt “schnellen” und “langsamen” Zucker und liegt nicht schwer im Magen. Beim Airportrun habe ich zusätzlich 2 Gel genommen. Eins noch vor dem Start und das andere bei der 10km-Versorgung. Das muss man sicher nicht machen, hat in meinem Fall aber (glaube ich wenigstens 😉 ) Punkte gebracht. Respekt auch dafür, dass du die Strecke mit langem Shirt gelaufen bist. Ich fand den Wind zwar stark, aber nicht so frisch, dass ich lang gelaufen wäre. Da wäre ich wohl ziemlich weich gekocht worden.

    Ansonsten mach weiter so. 😉

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  10. Oh! Nichts essen und trinken zu können schränkt dich sicher ein. Bei langen Radrunden trinke ich bis zu 4Liter und nehme einige Gels. Ohne ginge gar nichts!
    Hast du mal JellyBeans, Fruchtsnacks oder “Sweet’n Salty Seeds & Pretzels” probiert? Die schmecken nicht wie Knete, geben aber gut Power. Probier mal! 😉

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    • Bei Radrunden kann ich zum Glück trinken, da bin ich nicht überanstrengt, aber es darf nicht zu kalt sein. Also an sehr kühlen oder kalten Tagen muss es etwas lauwarm sein. Sehr empfindlich… Naja, aber JellyBeans ist ja eine klasse Idee, genau wie „Sweet’n Salty Seeds & Pretzels“. Muss ich mir unbedingt merken 🙂 Danke!

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  11. Gratuliere noch einmal zu deiner tollen Leistung, bin gespannt wie es dir beim 10 Meilen-Lauf geht! Hast du die richtige Feinabstimmung zwischen Tempotraining und Regeneration gefunden?

    Ich erlebe gerade einen Hype!!!!!!!
    Ein Bekannter von mir hat das Race Across America gewonnen, ein Wahnsinn!
    Echtes Gänsehaut-Feeling!

    SG Tom

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    • Oh, wie krass ist denn bitte das!!! RAA gewonnen, wie unglaublich 🙂
      Naja, das war bei mir natürlich etwas weniger Spektakulär, aber hat auch Spaß gemacht. Ich glaube ich habe etwas mehr regeneriert, weil ich noch einen Yogaworkshop mitgemacht habe. Aber das wird schon, hoffe ich.

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