Trainingsgeschichten: Wintermorgen

Der Wetterbericht sagt minus acht Grad, Siri widerspricht. Nur minus sieben. Also dann, los! Unterhemd unter Unterhemd, eine Lage nach der nächsten, Kniestrümpfe und ein paar Trailschuhe. Nicht, dass ich etwas Wildes vorhabe. Nein, nur ganz locker, einfach so laufen. Aber es gab geschätzte fünf Zentimeter Neuschnee. Natürlich sind so früh die Straßen und Wege noch nicht geräumt.  

Unfassbar schön! Irgendwo zwischen hell und dunkel, schimmert der Schnee vor sich hin. Diese klare Luft – ein anderer Läufer wartet mit all den grummeligen Gesichtern an der Bushaltestelle. Ich schaue ihn mitleidig an, er schaut traurig zurück. Ich laufe und laufe…  So schön! Ok, ich habe Matcha getrunken.

Ich nenne es mal Lauf-Matcha-Schnee-Musik-High.

Ich laufe hinaus – raus aus der Stadt auf verlassene Landstraßen. Es knirscht unter mir. Eine Mami schiebt mit der einen Hand ihr Rad und hält den Familienhund an der Leine; mit der anderen zieht sie ihren kleinen Jungen auf dem Schlitten durch den Schnee.

Eine dunkle Wand zieht auf mich zu, als würde die Stadt rechts von mit wieder in Nacht versinken.

Ist das dort ein Wildschwein auf dem Feld? Der kalte Wind brennt in den Augen. Die Spargelfelder sehen aus, als hätte jemand Schnee kerzengerade in zahlreichen Reihen zusammengehäufelt.

Keiner lief hier vorher entlang. Ich sehe Rehspuren und gehe in die Hocke. Was macht der Hase jetzt hier? Ich watschle weiter im Entengang und da sehe ich sie. Ich krame Siri heraus, aber sie entscheidet, dass Musik, Kälte und Fotos nicht zusammenpassen und schaltet sich ab. Also nächstes Mal doch wieder den Fotoapparat in die Hand nehmen.

Eine Weggabelung zwischen Feldern und alten Landstraßen. Ich halte kurz an, kein Schnee, alles verweht. Der eisige Wind fegt mir um die Beine. Absolute Stille. Ich laufe weiter, genau den Weg entlang, wo vorher niemand war. Ich träume vor mich hin, stapfe in einen Schneehügel.

Einer der zahlreichen Bauern kommt mit seinem Räumfahrzeug auf mich zu, fegt Landwirtschaftswege frei. Dreht um, nickt mir freundlich zu und fährt voraus. Beseitigt den Schnee für mich und ich trabe locker hinterher bis uns an einer weiteren Gabelung die Wege trennen.

Ich mache mich auf, zurück in die Stadt. Kralle die puckernden Finger unter all den Sachen zusammen. Nur ab und an wärmt mich die Sonne ein wenig am Rücken. Vielleicht rede ich mir das ja auch nur schön.

Ein Kind wirft sich direkt vor der Haustür laut kreischend, lachend in den Schnee. Ich möchte mitmachen, einen Schneeengel malen. Mir ist aber kalt. Ich laufe etwas schneller.

Um so kälter es jeden Morgen wird, desto mehr genieße ich es, draußen zu sein und vorher meinen Körper mit einigen Yogaübungen kraftvoll in den Tag starten zu lassen und aufzuwärmen. Es folgt ein heißer Tee und eine kleine Schale Haferbrei, bevor ich mich in die Lagen von Sachen wurschtle. Zufrieden verlasse ich das Haus und laufe, laufe und ehe ich mich versehe, stehen Morgen für Morgen irgendetwas zwischen zehn und zwanzig Kilometer auf meiner Uhr…

0 Gedanken zu „Trainingsgeschichten: Wintermorgen“

  1. Beneidenswert – bei uns ist fast alles schon weggeschmolzen, nichts knarzt mehr unter den Füßen beim Laufen, die Luft riecht auch nicht mehr nach Schnee. Eigentlich sehr schade…

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  2. Was für ein positiver Laufbericht! Ich musste diesen Winter leider nur häufiger mit dem Schnee kämpfen, vielleicht sollte ich da eher die schönen Seiten daran sehen wie du 🙂 lg

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  3. Also deine Bilder machen echt neidisch, bei blauem Himmel und Sonnenschein schaut der Schnee soo schön aus! 😉
    Ich bin hier in Wien seit Wochen gefangen in der weißen Hölle, dazu sind auch noch die Feinstaubwerte so hoch, dass man garnicht rausgehen sollte.

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  4. Schöner Bericht von schönen Läufen bei schönem Winterwetter! Wenn ich laufe ist es leider meist dunkel, aber auch dann hellt der Schnee die Gegend und die Laune auf 😉

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  5. Eine schöne Laufgeschichte die Lust auf viel mehr macht. Die Sache mit dem Schneeengel habe ich beim laufen schon umgesetzt und es macht viel Spaß. Ist doch egal was die anderen Menschen denken. Wir Leben alle nur einmal – glaube ich jedenfalls 🙂

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