Die Ironman World Championship in Nizza wurde 2024 erstmalig Austragungsort der Frauen-Weltmeisterschaft. An einem milden Septembermorgen versammelten sich die Profi-Athletinnen und Age-Group-Teilnehmerinnen mit Öffnen des Wechselbereichs um 5:15 Uhr an der legendären Promenade des Anglais. Mit Wassertemperaturen um 21 Grad bot das Mittelmeer perfekte Bedingungen für den Wettkampfmorgen.
Was die Teilnehmerinnen erwartete, war eine Strecke, die insbesondere durch ihren anspruchsvollen Radabschnitt zu den schwierigsten Ironman-Kursen weltweit gehörte. Die malerische Kulisse der Côte d’Azur bildete dabei einen beeindruckenden Kontrast zur Laufstrecke, die auf einer endlosen Straße flach am Mittelmeer entlangführte.
Während die Profi-Athletinnen um 7:15 Uhr bei bedecktem Himmel ins Wasser gingen, folgten die Age-Group-Starterinnen mit einem 10-minütigen Abstand. Ich befand mich mitten unter ihnen, an einem Morgen, der für mich fast unwirklich schien. Ein beeindruckendes Triathlonjahr sollte für mich dort einen Abschluss finden, der schöner kaum hätte sein können – mit der Familie, die mich einen ganzen Tag begleiten sollte.
Oliver und ich nehmen dich in diesem Beitrag mit zu einer der beeindruckendsten Ironman-Veranstaltungen, von denen wir Teil waren. Wir zeigen dir Details des Rennmorgens und der Ironman World Championship Schwimmstrecke, die sich wie das Ironman-M vor Nizza ausbreitete.
In den Monaten vor der Weltmeisterschaft hatte ich mich mental in einer deutlich entspannteren Verfassung befunden als noch bei meiner Vorbereitung auf den Ironman Lanzarote. Die Vorbereitung auf die Ironman WM in Nizza war natürlich ein intensiver Prozess, der mich physisch forderte, aber mental deutlich ausgeglichener verlief als frühere Vorbereitungen. Die Vorfreude auf diesen besonderen Wettkampf, die Chance, bei einer Weltmeisterschaft dabei zu sein, überwog die üblichen Zweifel. Unzählige Trainingseinheiten, Streckenanalysen und die unermüdliche Unterstützung meiner Familie halfen mir, mich bestmöglich auf das vorzubereiten, was viele als einen der anspruchsvollsten Ironman-Kurse weltweit bezeichnen.
Die Vorfreude auf diesen besonderen Tag, diese einmalige Gelegenheit, überwog alle anderen Gefühle. Und davon gab es vorab unfassbar viele. Erst wenige Tage zuvor hatten wir die Entscheidung getroffen, dass ich nach meinem Infekt tatsächlich an den Start gehen würde. Mich hatte zwei Wochen lang ein Virus ziemlich außer Gefecht gesetzt. Erst vor Ort in Nizza, vielleicht auch dem milden Klima zum Dank, verbesserte sich mein Asthma und Husten, und ich fühlte mich Tag für Tag besser. Dass es vermutlich keine Glanzleistung werden würde, war mir klar. Aber es gab vermutlich keinen besseren Ort als diesen, um über eine längere Zeit die Weltmeisterschafts-Stimmung aufzusaugen. Und wenn ich dir eins versprechen kann: Es gab davon unfassbar viel. So viel, dass es mir an einer Passage sogar Gänsehaut bereitete. Aber davon mehr, wenn es um die Laufstrecke geht.
Die Atmosphäre vor Ort während der Rennwoche zu erleben, die tatsächlichen Bedingungen zu spüren und mit den anderen Athletinnen zu teilen, die sich der gleichen Herausforderung stellten, hatte eine beruhigende Wirkung. Die Strategie, jeden Abschnitt als Teil eines ausgedehnten Trainingstages zu betrachten, war nicht erst am Rennmorgen entstanden. Diese Herangehensweise begleitet mich seit meiner ersten Langdistanz in Zürich vor einigen Jahren. Mit dieser beruhigenden Einstellung begann ein erstaunlich entspannter Morgen um 4:30 Uhr.
Der Schwimmabschnitt im klaren Mittelmeer sollte zu einem unglaublich schönen Einstieg in meinen 9. Langdistanz-Tag werden, der mich immer wieder in Erstaunen versetzen würde. Wie heißt es so schön: Die schönsten Überraschungen sind oft die, die man sich selbst bereitet. Und wenn ich mitten auf der Schwimmstrecke eigentlich schon wieder ins Bett möchte, um mir die Decke über den Kopf zu ziehen, kann man eigentlich keine Erwartungen haben. Außer die eine – dass es einfach irgendwann bergauf gehen muss. Das war bei der Radstrecke auch wörtlich zu nehmen. So blieb auch dieser Tag nicht ohne seine unfassbaren Herausforderungen. Aber was wäre eine Langdistanz ohne sie?! Solange mich keine technischen Probleme aufhalten würden, war ich zu allem entschlossen.
DER WETTKAMPFMORGEN
Mein Tag bei der Ironman Weltmeisterschaft in Nizza begann mit einem reichhaltigeren Frühstück als gewöhnlich. Den mehrfach erhaltenen Ratschlag, für diesen besonderen Wettkampf mehr Zeit und Energie für die Nahrungsaufnahme einzuplanen, hatte ich mir besonders zu Herzen genommen. Dies galt sowohl für das Frühstück als auch für die geplante Verpflegung bis zum Start.
Vieles erinnerte mich an den Morgen auf Lanzarote. Die Vorhersage meines Garmin Edge von 7-8 Stunden allein für die anspruchsvolle Radstrecke durch die Alpes-Maritimes erschien mir etwas optimistisch. Ich wollte in jedem Fall für alle Eventualitäten gewappnet sein. Also gab es Essen, und zwar viel von allem.
Der Tag begann deshalb mit einer großzügigen Portion Haferbrei, angereichert mit einer Vielzahl energiereicher Zutaten. Trotz einer erwartungsgemäß unruhigen Nacht fühlte ich mich dank der entspannten Eingewöhnungstage an der französischen Riviera erstaunlich ausgeruht. Nach dem Frühstück widmete ich mich den letzten organisatorischen Details, die ich bewusst für den Morgen aufgespart hatte, wie das Befüllen der Trinkflaschen mit Tee – alles andere war am Vorabend vorbereitet worden.
Die typische Nervosität vor einem Wettkampf dieser Größenordnung blieb natürlich nicht aus. Deshalb tat es gut, ab kurz nach 5 Uhr in Bewegung zu sein und mich auf den Weg durch die noch dunklen Straßen Nizzas zum Wechselbereich zu machen. Mit all den anderen Athletinnen. Ich lief mit einem großen Strom an Menschen die wenigen hundert Meter hinab zum Mittelmeer, wo uns zahlreiche Scheinwerfer und Helfer erwarteten. Es gab mehrere Zugänge zum Wechselbereich, die ich mir bereits beim Bike Check-In näher angeschaut hatte. Der Sicherheitscheck verlief zügig. Alle wichtigen Stationen waren perfekt ausgeschildert. So fand ich problemlos den Bereich an der Promenade des Anglais, wo wir Athletinnen unsere Special Needs Beutel abgeben konnten.
Wie immer war ausreichend Zeit, um noch einmal durchzuatmen, während die Profi-Athletinnen ihre obligatorischen Interviews des Rennmorgens für die Live-Übertragung der Ironman World Championship gaben.
Ich weiß nicht mehr genau, wann es war, aber noch vor Sonnenaufgang gab es die Information über die Wassertemperatur. Während des Swim Baie des Anges war das Mittelmeer so warm, dass ich bereits über die 1,9km dachte, dass der Neoprenanzug keine gute Idee war. Der Wind und Regen die Tage zuvor brachte Abkühlung – auch im Wasser. Die Temperaturen waren so etwas kühler als an den Trainingstagen zuvor, boten aber mit etwa 21 Grad Wassertemperatur dennoch perfekte Bedingungen für den Wettkampftag. Also suchte ich mir eine ruhige Ecke, um mich umzuziehen. Es ging alles ziemlich sortiert vor sich, einschließlich Hineinschlüpfen in den Arena Neoprenanzug.
In wenigen Augenblicken standen einige Profi-Athletinnen wie Laura Philipp und Els Visser neben mir und bereiteten sich mit ihrem Warm-Up auf den Start vor. Ich aß noch einen letzten Riegel gegen 7 Uhr und gab kurz danach meine Sachen ab und war tatsächlich startklar!
Ich weiß nicht, was mich mehr an dieser Location irritierte – der viele Platz, der lange Startzeitraum oder die entspannte Organisation. Riesige Aufsteller für die Morgensachen standen für uns bereit. Athletinnen bereiteten sich vor oder waren gerade damit fertig und begaben sich in die Startaufstellung. Es war ein ruhiges Kommen und Gehen, während sich die Profi-Athletinnen unten am Steinstrand einfanden.
Das Einzige, das mich wirklich an dieser Location immens störte, war die unglaublich weiträumige Absperrung. Zuschauer waren von dem gesamten Gelände ausgeschlossen. Natürlich muss mir meine Familie nicht die Hand am Start halten. Aber es sorgt immer und überall für eine so schöne Atmosphäre, wenn sich Zuschauer links und rechts entlang des Schwimmstarts versammeln und bei so einem Erlebnis mit Applaus dabei sind. So standen nur einige wenige Zuschauer links vom Start und hinter dem Wechselbereich.
Ich sollte erst um 7:41 an der Reihe sein. Also ausreichend Zeit, um den Start der Profi-Athletinnen mitzuverfolgen. Paul Kaye gab am Morgen schon alles, während sich die Profis für die Übertragung der Ironman Pro Serie nach und nach vorstellten. Ich war so unglaublich gespannt, wie sich der Tag für sie entwickeln würde. Für mich gab es jedoch kaum eine Chance, abseits des Schwimmstarts davon etwas mitzubekommen.
Kurz nach dem ersten Startschuss reihte ich mich in meinen Startbereich ein, während Helikopter und Drohnen die Profis verfolgten. Es füllte sich nur langsam um mich herum. Eine halbe Stunde war noch Zeit und bis dahin sah ich im Abstand von vier Minuten eine Startgruppe nach der anderen erst über den Steinstrand balancieren, dann bis zur imaginären Startlinie schwimmen und sich mit ihrem eigenen Startschuss auf den ersten Abschnitt der Ironman World Championship machen.
Direkt neben dem Startbogen war noch einmal die Schwimmstrecke abgebildet, die dort nicht so wahnsinnig weit aussah, wie auf dem dunkel wirkenden Mittelmeer. Im Prinzip war es recht einfach. Es geht knapp 900 Meter hinaus aufs Meer. Auf einer kurzen Geraden geht es rüber zum Abschnitt, der uns knapp 900 Meter Richtung Land führen sollte. Von dort aus ging es Richtung zweite Runde. Und tatsächlich war dieser kurze Abschnitt kurz vor Steinstrand gar nicht so weit weg vom Ufer. So sah ich dort die ersten Athleten, während ich mich noch etwas gedulden musste.
Aber da stand ich nun. Mitten unter diesen großartigen Athletinnen! Der Moment war surreal und zugleich beeindruckend. Einerseits aufregend, weil es meine zweite Langdistanz in diesem Jahr war – erstmalig zwei in einer Saison. Eine Entscheidung, die mir mehr als einmal Grenzen aufzeigte und mich auf die Probe stellte. Zwei Langdistanzen, mit denen ich es vom Radstreckenprofil kaum härter treffen konnte. Es war sicher nicht nur für mich so viel mehr als nur ein Wettkampf. Andererseits so erfüllend, dass mein 40. Triathlon im Rahmen der Ironman Weltmeisterschaft in Nizza stattfand – ein Meilenstein, der weit über eine bloße Zahl hinausging und meine langjährige Leidenschaft für diesen Sport würdigte.
DIE IRONMAN WORLD CHAMPIONSHIP SCHWIMMSTRECKE IN NIZZA
Vier Minuten vor meinem Start ging es für mich ins Wasser. Das war der erste Kontakt mit dem Mittelmeer an diesem Morgen.
Auch wenn es sich in diesem Moment kühl anfühlte, war ich froh, dass es nicht mehr die warme Temperatur der Tage zuvor hatte. Vorn zwischen den beiden schwarzen Roka-Bojen angekommen, vergingen die letzten Momente kaum. Ich sah, wie die Gruppe vor uns immer kleiner wurde, wie mir ein Teil meiner Familie am Strand zuwinkte, sich die nächste Gruppe bereit stellte, Athletinnen die Wende schwammen. Es war ein Gewirr aus Geräuschen, bei denen ich nicht wusste, welchem ich zuhören sollte. Aber alles lief wie ein Uhrwerk.
Genau nach Plan fiel für mich um 7:41 Uhr der Startschuss für die 3,8 km lange Ironman World Championship Schwimmstrecke in Nizza. Etwas müßig fühlten sich vor allem die ersten Meter in der Gruppe an. Die ersten Bojen waren aber nicht allzu fern und mit dem Helfer auf dem SUP vor uns prima auszumachen.
Auch wenn ich mich in den vergangenen Jahren nicht immer optimal der richtigen Startgruppe mit meiner anvisierten Zeit eingeordnet habe, war es immer ein ganz anderes Gefühl als in Nizza. Es ist mir noch nie so schwer gefallen, einen Rhythmus zu finden, der sich gut anfühlte. In solch einer gemischten Gruppe bin ich meist bei kleineren Veranstaltungen unterwegs gewesen – bei Landstarts oder wenn ich in einer Gruppe für Frauen an den Start ging. Während ich nach einem Gefühl für das Meerwasser und Schwimmen suchte, fieberten an Land die anderen Gruppen ihrem Start entgegen oder gingen ins Wasser.
Die erste lange Gerade fühlte sich wie ein einziges „Zeitfahren“ an. Sich an andere Athletinnen herankämpfen, die etwas entfernt schwammen. Überholen, nach der Richtung schauen, die nächste Boje suchen, aufpassen, niemandem „Aufzuschwimmen“. Den eigenen Platz behaupten, wenn die schnelleren Schwimmerinnen von der nächsten Gruppe kamen und alles wieder von vorn. Ich versuchte nach und nach aus dem ganzen Getümmel herauszukommen und gleichzeitig nicht den Anschluss zu verlieren. Zwischendrin sah ich eine Athletin, die sich an einem SUP festhielt und sichtlich aufgewühlt mit der Helferin sprach.
900 Meter hört und fühlt sich eigentlich nie sehr weit an. Ich zählte jede Boje, suchte die Freude darin, wieder einen Abschnitt geschafft zu haben. Und dennoch wollte sich irgendwie nicht das Gefühl einstellen, dass es ein guter Tag ist. Es passierte nichts Ungewöhnliches. Ich schwamm in meinem Tempo, das sich trotz des leicht bewegten Meeres schneller anfühlte als beim Ironman Lanzarote. Letztlich war dem aber nicht ganz so. Die Bojen zogen wie immer an mir vorbei. Die zwei Wendebojen waren zügig umschwommen und gaben so den Blick auf Nizza preis. Ein unglaublich schöner Anblick, je näher ich wieder dem Ufer kam. Jedes Suchen nach Orientierung war eigentlich nur ein Sicherstellen, dass ich auf dem richtigen Weg war.
Es lief reibungslos. Einfach so, wie man sich einen Wettkampf vorstellt. Mit der Ausnahme, dass ich einfach nicht dieses bisschen mehr geben konnte, wofür ich trainiert hatte. Es muss in diesem Abschnitt gewesen sein, als mir klar wurde, dass ich eigentlich jeden Meter nur abarbeitete. Dass mein Kopf den kaum wahrnehmbaren Rhythmus vorgab, während mein Körper noch nicht so fit war, wie ich es mir für so einen besonderen Tag gewünscht hätte.
Kennst du das, wenn du nach einer kurzen, aber heftigen Erkrankung wieder ins Training einsteigst? Die Arme und Beine fühlen sich weich an, während man die ersten Einheiten versucht ins Training zurückzufinden. Das sollte also mein Tag werden. Klar hätte es schlimmer kommen können, wenn ich erst gar nicht an der Startlinie hätte stehen können. Dennoch waren da diese großen ABERS… All diese Gedanken versuchte ich beiseite zu schieben. Alles, was hätte sein können, was ich aber auch meine Familie an Energie und Zeit hineingesteckt hatte, was ich mir gewünscht hatte – einfach alles. Ich erinnerte mich immer wieder an die Worte von Michellie Jones:
„Wir können den Tag X nur so nehmen, wie er uns geschenkt wird.“ Und natürlich hatte sie recht.
Dennoch fragte ich mich nicht nur einmal an diesem Tag, ob das denn bitte alles noch Spaß macht. Die körperliche Anstrengung, die mentale Herausforderung – es fühlte sich wie ein Tag ohne Motivation an, den ich abarbeite. Ich kannte solche Tage nur zu sehr von den Jahren Training, bevor ich verstand, was eine Autoimmunerkrankung mit sich bringt. Ich nenne solche Tage immer „Brain-Tage“. Aber sie waren nie der Endpunkt, sondern nur eine Etappe. Ich versuchte mich daran zu erinnern, wie sehr ich das Schwimmen liebte – im freien Gewässer, im Ozean, im Meer, in jedem See. Und wie unglaublich ist es bitte, das zu machen, was man liebt an so einem Ort, bei so einer Gelegenheit?
Zu dieser Zeit war ich bereits auf dem Weg zu den zwei Wendebojen in Ufernähe, die uns wieder hinaus aufs Meer bringen sollten. Mit jedem Meter wurden die Stimmen und die Musik an Land klarer und meine Stimmung lebte auf. Ein rhythmischer Atemzug folgte einer präzisen Bewegung. Das konstante Vorwärtskommen war dann besonders präsent, wenn die Bojen an mir vorbei rauschten, während die Stimmen wieder leiser wurden.
Es war ein komisches Gefühl, so nah am Schwimmausstieg vorbeizuschwimmen. Die Zuschauer und Organisatoren am Strand zu sehen. Um dann wieder alles hinter uns zu lassen. Knapp 900 Meter hinaus – wieder drei große gelbe Bojen, die erreicht werden wollten, bevor die erste rote Wendeboje folgte. Dass sich mit jedem hundert Metern meine Arme mehr und mehr wie feuchtkalte Waschlappen anfühlten, versuchte ich genauso zu verdrängen, wie das Gefühl für diese hundert Meter doppelt so hart wie sonst arbeiten zu müssen.
Es halfen diese besonderen Momente, die unvergesslich bleiben.
Die Sonne, die ihren Weg hin und wieder ganz leicht durch die Wolken suchte, sorgte für wunderbares Schimmern im Wasser. So wie der Fokus innerhalb dieser weit verstreuten Gruppe von Schwimmerinnen verschiedener Altersgruppen zu manövrieren, die sich mehr und mehr durchmischte. Wie die Anstrengung, die der leichte Wellengang und das stete Aufschauen, um die Orientierung zu behalten. Oder wie die immer wieder auftauchende Freude, genau dort sein zu können.
Die vorletzte Wendeboje zu umrunden, kam mental dennoch zum perfekten Zeitpunkt. Die Wellen mit Wind gemischt kamen endlich nicht mehr direkt von vorn und hörten auf, gegen die Badekappe zu klatschen. Mich nervt das immer schon beim Freiwasserschwimmen in Seen, wenn mich dieses seltsam schwappende Geräusch und Gefühl über Kilometer hinweg begleitet. An so einem Tag, der mittelmäßig von der Kraft und Stimmung verläuft, eine mehr als willkommene Erleichterung. Wenngleich die Strecke immer zäher wurde. Aber irgendwann will man ja auch ankommen!
Was mir nicht nur in dem Moment nach dem Zurücklassen der letzten Wendeboje sehr positiv auffiel, waren die Helfer in den Kanus und auf den SUP Boards entlang der gesamten 3,8 Kilometer langen Schwimmstrecke. Ich war so präzise wie selten unterwegs. Ich machte die Bojen schnell aus und konnte die Richtungen immer gut einhalten. Das ging aber nicht allen so. Die Helfer sorgten jedoch schon bei kleinen Ausreißmanövern nach links und rechts mit Trillerpfeifen dafür, dass Athletinnen nicht allzu weit abdrifteten. Nach meinem wilden Wellenerlebnis auf der Ironman Portugals Schwimmstrecke war das ein überraschend positiver Eindruck. Klar, so sollte es bei einer Weltmeisterschaft sein. Für mich eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit bei allen Veranstaltungen.
Die letzten 900 Meter zurück Richtung Land bildeten den Abschluss. Es lief irgendwie – wie im Training an schlechten Tagen. Aber es ging spürbar voran. Die Bojen waren an einer Hand abzuzählen. Die Häuser entlang der weitläufigen Promenade kamen mit jedem Armzug näher. Ganz in der Ferne die zwei riesigen schwarzen Bojen. Sie markierten den Schwimmausstieg und das Ende des übergroßen Ironman-M, das wir über 3,8 km abgeschwommen haben. Während ich mich in Gedanken nicht davontragen lassen wollte, was ich alles beim Wechseln zum Rad beachten wollte, trugen mich die leichten Wellen mehr und mehr vorwärts.
Es fühlte sich wie eine weit entfernte Erinnerung an, die Stimmen vom Land erneut zu hören. Dieses Mal zog und zog es sich aber, bis ich die letzten zwei gelben Bojen passieren konnte. Jede Armbewegung konnte ich im klaren Wasser unter mir verfolgen. Die 4er Atmung blieb konstant und rhythmisch, während ich die Athletinnen um mich herum im Blick hatte. Es waren schon lange keine weiteren vorbeigeschwommen. Stattdessen wurden es vor mir immer mehr. Kaum 100 Meter schwamm ich mit den gleichen Athletinnen um mich herum. Nach und nach wurde dieser letzte Abschnitt so unruhig wie die erste lange Gerade. Während die nötige Kraft spürbar größer wurde, um immer wieder an Athletinnen vorbeizuschwimmen, wuchsen die schwarzen Bojen auf reale Größe an.
Ich musste nicht lange überlegen, wie weit vorher ich aufstehen sollte, um aus dem Wasser zu kommen. Von den Tagen zuvor wusste ich, wie tief es selbst direkt vor dem Steinstrand war. Ich sah einige Meter vorher, wie die Helfer bis zu den Oberschenkeln im Wasser standen und den Athletinnen wortwörtlich unter die Arme griffen.
Die Wellen nahmen vor dem Strand ordentlich Schub auf. Ich ließ mich langsam herantreiben, um eine Lücke zwischen den Athletinnen zu finden. Von zwei Seiten griffen die Helfer beherzt zu und sorgten unter rollenden Steinen dafür, dass ich die ersten Schritte aufrecht auf dem schwarzen Teppich machen konnte. Um mich herum nur Athletinnen, die voller Freude waren. So viel Freude, wie ich sie selten nach dieser ersten Disziplin am Wasserausstieg gesehen habe. Das ermutigte und verstärkte auch direkt die Freude bei mir.
Unglaublich erleichtert und direkt mit besserer Stimmung, war ich froh, diesen ersten Abschnitt geschafft zu haben. Nach 1:14h lag die Ironman World Championship Schwimmstrecke hinter mir. Nicht, was ich erhofft hatte. Aber an diesem Tag war ich einfach froh um jeden Teil des Rennens, den ich erfolgreich hinter mir lassen konnte.
Ich nahm sofort meine Schwimmbrille und Badekappe ab und öffnete meinen Neoprenanzug, um mich freier bewegen zu können. Es ging ungefähr einhundertfünfzig Meter den Strand und eine Holzrampe hinauf. Nach einer Linkskurve ging es 200m die Promenade entlang bis zum Wechselbereich. Meinen Radbeutel fand ich auf Anhieb, nur keinen Platz in dem viel zu kleinen Zelt – in dem einen Zelt, das wir Athletinnen zur Verfügung gestellt bekamen.
Wie es für mich auf der unglaublichen Radstrecke der Ironman World Championship in Nizza weiterging, kannst du im bald folgenden Beitrag lesen.
Alle Teile unserer Ironman World Championship Nizza 2024 Beitragsreihe findest du hier:
Ironman World Championship Nizza – Women’s Race 2024: Rennmorgen & Schwimmstrecke
Ironman World Championship Nizza – Women’s Race 2024: Radstrecke
Ironman World Championship Nizza – Women’s Race 2024: Laufstrecke & Banquet of Champions
[Photo Credits: Oliver Eule / eiswuerfelimschuh.de] | Alle hier gezeigten Fotos wurden wie immer von Oliver Eule aufgenommen. Die Rechte an diesen Fotos liegen bei ihm und mir. Eine weitere Nutzung der Fotos ist in Absprache mit uns gerne möglich. Bei Interesse schreibt uns bitte eine E-Mail, um Details der Nutzung auf Social Media, Webseiten oder Printmedien zu klären.
Als Triathletin & Autorin von Eiswuerfel Im Schuh bin ich zusammen mit meinem Sportfotografen immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung und neuen Bildmotiven. Als Julimädchen liebe ich die Sonne, das Meer und den Sand zwischen den Zehen, genieße aber auch die Ruhe auf meiner Yogamatte oder auf einem Surfbrett.