Nachdem das Schwimmen beim Ironman Florida 2019 trotz Handicap besser als erwartet verlief, stieg die Spannung gegenüber der Radstrecke. Wind mit starken Böen, lange Geraden ins und durchs Nirgendwo, viel zu wenig malerische Perspektiven auf das Meer – das zeichnete den neuen Radabschnitt in und um Panama City Beach aus. Wie ich mich dieser Herausforderung stellte, erfährst du in diesem dritten Teil meiner 4. und bis jetzt kältesten Langdistanz. Handschuhe, Armlinge, Kniestrümpfe, Unterhemd und Windjacke waren nicht zu viel an diesem frischen Samstagvormittag mit einstelliger Temperatur sondern eigentlich noch zu wenig!
Einen Schwimmabschnitt mit einer persönlichen Bestzeit abzuschließen, ist für mich immer ein Hit. Im Salzwasser war es eigentlich fast zu erwarten. Jedoch war ich mit meinem Arm und meinen Rippen mehr als eingeschränkt. Die Wellen setzten mir dadurch etwas mehr zu, als gewöhnlich. Ich war also mit bester Stimmung auf dem Weg zu den Wechselbeuteln unterwegs. Die Zuschauer am Strandabschnitt an der Wechselzone motivierten zudem, schnellstmöglich diesen Abschnitt des Rennens hinter mir zu lassen. Teilweise waren sie dicht an dicht gedrängt, klatschten, riefen anderen Athleten etwas zu… Ich war derweil noch ganz bei mir und meinem Körper, immer in der Hoffnung, dass es auf dem Rad ebenfalls entspannt für meine Rippen zugeht.
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DER WECHSEL VOM SCHWIMMEN ZUM RADABSCHNITT
In der Halle zum Umziehen ging es unglaublich hoch her. Stühle über Stühle waren belegt. Ich fand am Rand noch einen Platz. Wie immer schüttete ich alles aus, verschaffte mir einen Überblick, zerrte anschließend mit Not den Neoprenanzug von meinen Beinen. Ich trocknete mich etwas ab. Stellte fest, dass sich mein Tapeband entlang des linken Rippenbogens komplett gelöst hatte und riss es ab. Es flog direkt in die riesige Tonne neben mir. Der Alé Cycling Tri Suit ging mehr als dürftig über meine feuchte Haut. Am Hintern saß er letztlich schnell. Über meinen Oberkörper bekam ich ihn aber fast gar nicht. Wie das den Tag weitergehen sollte, war mir ein Rätsel. Eine Helferin neben mir sah mein Leid und bugsierte meinen linken Arm hinein. Sie kümmerte sich dann wieder um die Athleten neben mir.
Jeder Atemzug fühlte sich eingeengt an. Jeder großen Bewegung folgte ein stechender und zugleich dumpfer Schmerz, als hätte mir jemand erst gegen die Muskulatur geschlagen und sie anschließend durchgerissen. Das Laufen konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt beim besten Willen nicht vorstellen. Es setzte schnell Frust ein, als ich meine Strümpfe noch weniger bis zu den Knien hoch bekam als meinen Tri Suit. Ich zog, zerrte, setzte neu an, zerrte wieder, rollte runter, zog sie noch einmal aus,… Ich hätte ausrasten können. Also zog ich erst einmal mein Unterhemd und die Armlinge drüber. Es ging mir einfach nichts schnell genug.
Ich war wütend auf mich, die Umstände, die Kälte, die halbe Welt.
Alles erinnerte mich an das Umkleidendrama in Haines City. Ich war so unfassbar enttäuscht. Nur wollte ich es soweit nicht kommen lassen. Gut. Vielleicht werde ich an diesem Tag das Ziel nicht sehen. Aber ich hatte mir doch nur eins vorgenommen! Einen Schritt nach dem anderen.
Durchatmen, einfach durchatmen. Dann nahm ich mir den linken Strumpf. Manövrierte mich mit Gezupfe hinein. Anschließend war die rechte Seite dran. Ein Schritt nach dem anderen. Immer wieder. Jede Kleinigkeit, die ich nicht benötigte wanderte in meinen Beutel. Den Rest zog ich an. Anschließend konnte es endlich rausgehen zu meinem Fuji.
Mein Helmvisier schützte zwar vor der strahlenden wenig wärmenden Sonne. Machte mir aber jeden Schritt auf dem Asphalt schwer. Die Sonnenschutz-Station nahm ich zwar wahr, ließ ich aber rechts liegen. Ich weiß noch, wie ich im Laufschritt grübelte, ob ich mir an diesem Tag meine Knie verbrenne. Denn ansonsten war ich so eingepackt, dass nichts passieren sollte. Abgelenkt von den anderen Athleten konzernierte ich mich wieder aufs Vorankommen.
Bereits von Weitem konnte ich einem Helfer meine Startnummer zurufen und sagen, dass mein Flitzer das schwarze Fuji hinten in der drittvorletzten Reihe war. Als ich ankam, konnte ich entspannt in meine Schuhe steigen, während der nette Herr mir mein Rad ausparkte und mich mit viel Glück und noch etwas, das ich so schnell nicht richtig mitbekam, auf meinen Weg schickte. Wieder quer zurück durch den gesamten Wechselgarten. Nach quälenden 13 Minuten kam ich endlich am Bike-Out an!
Dass sich das Umziehen so lang hinzog ist eine Sache. Die andere ist der Weg vom Strand hinauf zum Hotel zu den Beuteln durch den gesamten Wechselbereich zur Umkleidehalle. Anschließend wieder retour komplett durch den Wechselbereich zurück, um von der Rückseite zu den den Rädern zu gelangen, um ein drittes Mal samt aufgesammeltem Rad erneut durch die Räderreihen zu manövrieren. Dieses Setting erinnerte mich an die Weiten Strecken auf Rücken und Mallorca und in Hamburg. Anschließend kennt man dafür aber auch jeden Punkt in der Wechselzone!
IRONMAN FLORIDA 2019 RADSTRECKE
Eine der flachsten Strecken der Ironman Welt. Brandenburg erscheint auf 180km hügeliger! Mit gerade einmal rund 450 Höhenmetern auf diese Distanz ist auch die neue Ironman Florida Radstrecke topfeben. Der Wind, der tendenziell seicht sein soll zu dieser Jahreszeit, bescherte uns dank Wetterumschwung in den vergangenen Tag nicht nur einiges an Wellengang. Er war bereits im Wechselbereich in der recht geschützten Hotelanlage mit raschelnden Palmenwedeln nicht nur hör- sondern auch spürbar. Er sollte uns den gesamten Tag über auf der einen Runde mit nur einer kurzen Hin- und Retour-Passage begleiten. Ansonsten sei hier schon einmal erwähnt, dass es trotz gleichförmiger Strecke eine durchaus unterhaltsame zweite Disziplin war. Vermutlich auch deshalb, weil man nichts zwei Mal sah.
Das Aufsteigen und Antreten gestaltete sich etwas eirig. Zu viel Bewegung wollte ich vermeiden. Jedoch schmerzte der Rippenbogen unglaublich mit der Kraftübertragung von den ersten Pedalumdrehungen. Wieder dieser stechende, dumpfe Schmerz, der mich kaum atmen ließ. Das ging im Training einige Tage zuvor deutlich besser. Ich bezahlte vermutlich in den ersten Minuten ordentlich für den Schwimmabschnitt.
Mit so einer Verletzung bemerkt man erst einmal, welche Masse an Muskelgruppen bei einer einzigen Bewegung eigentlich beteiligt sind und wie kostbar ein mobiler, gesunder Rippenbogen ist. Wie stark er einen, wenn er verletzt ist, nicht nur bei Bewegungen sondern auch bei der Atmung hemmt. Ich hatte am Rennmorgen schon den leichtesten und weichsten Sport-BH angezogen, den ich besitze. Ich musste ihn aber auf dem Rad erst einmal weiter hoch schieben. Es fühlte sich mit ihm an, als würde mir jemand permanent die Rippen mit aller Macht in den Körper drücken. Die Ablenkung kam draußen auf den Straßen.
Mit ordentlich Gegenwind ging es zunächst raus auf den South Thomas Drive und mit einem Schwenk auf die Front Beach Road entlang von Hotels, die die Sicht zur Linken zum Golf versperrten. Rechts reihten sich abwechselnd Wohnhäuser, Skooter Vermietungen und Einkaufsmöglichkeiten aneinander. Der Asphalt rollte beständig gut. Die Tage zuvor war ich die Strecke selbst mit dem Rad und mehrfach mit dem Auto abgefahren.
Bis zum Pier Park war die Straße offen für den Straßenverkehr. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass sie komplett gesperrt ist. Tatsächlich quetschten sich zwischen uns Athleten vor allem immer wieder kleinere Transporter und LKW. Auf den ersten Kilometern ein wenig unschön, wenn man versucht in Schwung zu kommen und sich warm zu fahren. Athleten, die man sonst überholen würde, bremsten nicht nur einen selbst sondern auch den Verkehr aus. Das war zwar kraftschonend und Windschatten hatten wir so auch. Aber wir tuckerten einfach langsam vor uns hin. Die Erlösung kam mit dem Pier Park Drive. Windgeschützt ging es durch den Einkaufspark mit sich anschließenden Kurven und zack rauf auf den Highway 79 Richtung Norden. Die Strecke kannte ich von meinem Wild Thang Airboat Tour Abenteuer und vom Weg zum und vom Northwest Florida Airport.
Knapp 20 Kilometer lagen hinter uns, als wir die West Bay Bridge überquerten und damit Panama City Beach endgültig den Rücken kehrten. Einen Moment aus der Aeroposition raus. Eine Abfahrt inklusive Rechtskurve, die zu den wenigen etwas spannenden Streckenabschnitten gehörte, läutete die ruhige Passage der neuen Ironman Florida Radstrecke ein. Es ging über eine lang dahin geschwungene Landstraße am Flughafen vorbei Richtung nächstgelegenem Highway. Rechts und links Bäume. Nadelwälder dufteten intensiv, passten irgendwie aber so gar nicht zu den Palmen und Farnen, die sich überall finden ließen. Ansonsten nichts Aufregendes.
Würde die Vegetation zusammen mit den Straßenschildern keine andere Geschichte erzählen, hätte man es auch für das windige, platte Brandenburg halten können!
Mein Forerunner vermeldete für den Radabschnitt 11°. Ja, so kam es mir auch vor. Ich weiß nicht, wie es dir geht. Aber es erstaunt mich nach wie vor, wie früh man eigentlich immer an solchen Wettkampftagen unterwegs ist. Immerhin war die Temperatur bis kurz vor 10 endlich zweistellig. Der beständige Gegenwind jedoch zehrte mich zusammen mit der Kälte aus. Es war ein komisches Gefühl mit dem blauen Himmel, der strahlenden Sonne und der klaren Luft. Manche Athleten schienen es gut zu verkraften, nur im Tri Suit unterwegs zu sein. Oder hatten sie nichts anderes mit? Andere hatten zum Teil ganz normale Sachen aus dem Alltag an, wie Jogginghosen, die nicht richtig sitzen wollten oder Wollstrümpfe über die Waden gezogen. Ich aß so viel, wie ich es damals nur bei der Challenge Kaiserwinkl-Walchsee auf der Mitteldistanz bei noch etwas kälteren Temperaturen zustande brachte.
Mein Plan war zudem, dass ich mehr Energie als sonst auf dem Rad zuführte. Schließlich war ungewiss, wie das Laufen mit den Rippen funktionieren würde. Lieber unterwegs die Akkus gezielt auftanken und später konzentriert einen Schritt vor den anderen setzen. Die Rechnung sollte aufgehen. Davon abgesehen hielt ich mich so auch auf dem Rad über Wasser. In Aeroposition spürte ich in ziemlich ruhiger Lage meine linke Seite zum Glück kaum. Sitzend und am Lenker ziehend, Druck aufbauend und umsetzend, war allerdings eine schmerzhafte Nummer.
Nach 40 Kilometern rauschten wir für etwa 1000m über den Highway 77 Richtung Norden, wo uns nach einer Abfahrt erneut eine Landstraße erwartete. Wir passierten wenige abgelegene Orte, noch seltener einzelne Häuser, kleine Farmen, ein paar Kühe, mal einen Fluss. Hier und da gab es auf dem Highway Richtung Westen Schilder zu Erholungsgebieten wie Williford Spring oder Pitt & Sylvan Spring. Eine Erholung hätte ich an dieser Stelle Stelle durchaus gebrauchen können! Zwar waren erst 70km vergangen, jedoch schaffte mich der Wind und der dort vorherrschende ruppelige Asphalt.
Kurz vor einer Brücke raste plötzlich an uns weit auseinander gezogenen Athleten ein Pick-up auf der ansonsten komplett freien Straße vorbei. Mit einem wilden Bremsmanöver hielt er auf der linken Spur unserer Seite. Der Fahrer, der aussah wie ein Ranger oder Sheriff, sprang aus dem Wagen, rannte vorne herum mitten auf unseren Weg. Irritiert ging ich aus der Aerohaltung heraus und fragte mich, ob wir jetzt gleich alle nach und nach anhalten müssen. In Windeseile sammelt er an verschiedenen Punkten schwarze Gummireste auf und warf sie zur Seite. Sah aus wie ein zerfetzter Reifen. Beim Vorbeifahren an seinem Pickup nahm ich dann auch ein Ironman Schild in seiner Windschutzscheibe wahr. Dennoch eine irritierende Aktion…
Hin und wieder sah ich Helferinnen, die Athleten beim Schlauchwechsel halfen. Sowohl Kampfrichter als auch Highway Patrol rauschten in regelmäßigen Abständen an mir vorbei. Trotz der einen, riesigen Runde hatte ich ein angenehmen Gefühl, dass ich gut aufgehoben bin.
Die Special Needs Station war nicht nur voll brüllender Helfer sondern auch Athleten. Mit dem Vorbeifahren schrie einer der Helfer die Startnummern der Athleten durch ein Megafon. Schon setzten sich einige weitere Helfer in Bewegung, um die aktuellen Special Needs Beutel heraussuchen. Hätte ich einen gehabt, wäre ich sicher nicht mehr aufs Rad gestiegen. Ich war wie festgeklebt, um mich möglichst rippenschonend von A nach B zu bewegen.
Kurz nachdem die Hälfte der Strecke absolviert war, nahmen wir eine Abfahrt, um den Highway zu wechseln. Ich dachte nicht, dass sich das mit dem Wind noch verschlimmern konnte. Wir waren wieder auf Highway 79, den wir bereits stadtauswärts zu Beginn des Rennens nahmen, angekommen. Mit der Fahrt weiter Richtung Norden wurde der Wind nicht nur durch die Breite und Offenheit des Highways mit seinen zwei Spuren pro Seite plus einem extrem breiten Grünstreifen dazwischen erschärft, sondern auch durch einen kräftezehrenden leichten Anstieg. Ich sah zum ersten Mal Athleten auf der Gegenrichtung die bereits auf dem Rückweg waren. Ich konnte mich leider in dem Moment nicht daran erinnern, wie weit es nach Norden ging.
Mit jeder Pedalumdrehung fragte ich mich: sind wir bald da?!
Nicht im Ziel sondern einfach nur am nördlichsten Zipfel unserer Reiseroute! Denn dann würde es abwärts gehen. Nicht nur das. Sondern auch mit Rückenwind. Ich konnte es nicht abwarten. Wusste nur, dass es kurz nach einer erneuten Wasserstation soweit sein sollte. Auch dort griff ich wie bei den fünf zuvor nach Wasser und einem Stückchen Banane. Alles ging glatt, trotz der unhandlichen und rutschigen Handschuhe, die ich einfach nicht ausziehen wollte. Der oftmals harsche Gegenwind relativierte sich zwar etwas mit dem leichten Anstieg und dem langsamen Vorankommen. Jedoch sah ich auf der Gegenseite die rasante Fahrt der schnellen Athleten. Da wollte ich auch bald sein! Ganz dringend sogar. Denn dieser schnelle Abschnitt war ein unverkennbares Signal, dass es heimwärts ging!
Wie mir die Raketen so auf der anderen Highway-Seite entgegenschossen, fielen mir wieder die unzähligen männlichen Athleten auf. Da vermisstet ich wieder die Profi Athletinnen im Starterfeld! Mal davon abgesehen, waren zwar im Wechselbereich viele Frauen zu finden. Im Feld unterwegs sah man jedoch nur wenige.
Wo seid ihr Athletinnen da draußen nur?!
Spannend war schon beim Bike Check-In zu beobachten, was für Material aufgefahren wurde. Unterwegs beim Überholen und Überholteren oder auch drüben auf der Heimwärtsseite sah man ein Scheibenrad nach dem anderen. Im Wechselbereich sah ich kaum jemanden mit Scheibenbremsen. Der Trend ist bei den Altersklassen definitiv noch nicht angekommen. Aber auch bei den Profis war diese Ausstattung spärlich verteilt.
Während ich noch im Nirgendwo unterwegs war, rollten an der Wechselzone nach und nach die Profis ein. Andrew Starykowicz legte die Disziplin in gerade einmal 4:01h als schnellster Athlet zurück. Nach zum Teil quälend langsamen 110 Kilometern erreichte ich den Wendepunkt. Von da an Stieg nicht nur die Stimmung sondern vor allem auch die Geschwindigkeit. Nach 14 Kilometern sah ich die Kreuzung, die mich nach Norden brachte. Für uns Athleten war der Abschnitt mit Rückenwind und leicht abfallendem Asphalt aber noch lang nicht zu Ende! Ingesamt 30 Kilometer sollten wir in rasender Geschwindigkeit den Highway neben dem Autoverkehr unsicher machen. Was für ein Gefühl! Endlich rollte es. Dieser kurze Abschnitt erhellte mir wirklich den Tag.
Für einen Moment waren die Schmerzen vergessen. Ich holte alles, was die Beine und die Aerodynamik hergaben heraus. Rauschte in zweiter Reihe an einigen Athleten vorbei. Jemand hing mir kurzzeitig am Hinterrad, weil es zuweilen ziemlich eng wurde. Der Pannenstreifen war manchmal von magerer Qualität. Entsprechend weit links fuhren einige. Wenn man überholte war meist kein Platz für einen dritten Athleten. Was ich sonst bei Wettkämpfen und auch dort in Panama City Beach hier und da erlebte, ging an dieser Passage leider nicht.
Es schien wirklich allen an dieser Stelle außerordentlich viel Spaß zu machen. Trotz der Enge, wurde Rücksicht groß geschrieben. Wie immer überholten einige mit letzter Kraft und scherten dann viel zu nah vor einem ein, aber sonst war es einfach das gewohnte Hin und Her. Bremsen wollte natürlich niemand, wenn es so herrlich rollt. Musste ich aber das ein oder andere Mal, weil es sonst keine Möglichkeit gab, den nötigen Abstand einzuhalten.
Gut 140km waren vergangen, als Panama City Beach mit dem erneuten Überqueren der West Bay Bridge in greifbarer Nähe lag. Ich ging aus dem Sattel, um hinauf zu strampeln. Eine absolute Wohltat an diesem langen Tag. Nur wenige Kilometer fuhren wir direkt auf die kleine Stadt und den Strand zu. Man konnte die Meeresluft förmlich schnuppern, als plötzlich Schilder bereits einige hundert Meter vor einem Abzweig auftauchten. Autos links. Räder rechts. Von dort aus reihten sich unzählige gestreifte Hütchen auf der Straße auf.
Ein Polizeiwagen mit Blaulicht und zwei Polizisten auf je einem Quad machten es mehr als deutlich. Eine scharfe Rechtskurve ins Nirgendwo nach Gayle’s Trails sollte folgen. Am Ende der Hütchenreihe folgten noch einmal Schilder. Passend dazu rote Klebestreif-Pfeile auf dem Asphalt. Um den letzten Zweifel aus dem Weg zu räumen, dass es dort eventuell doch einfach weiter Richtung Strand geht, saß ein Helfer auf einem Klappstuhl brüllend und mit ausgestrecktem Zeigefinger, der den Weg durch den Wald auf einem Wirtschaftsweg verdeutlichte.
Zwei Kilometer im Schneckentempo auf ruppeligen Platten. Es folgten im Zick ungekannte Straßen mit einigen Kurven, bis wir quasi in zweiter Reihe zum Strand den ganzen Panama City Beach Parkway West lahmlegten. Was für ein Glück, dass ich zu dieser Zeit nicht zum Flughafen musste! Das Verkehrschaos sollte uns zwar nicht interessieren, war aber unvermeidlich wahrzunehmen, als wir abbogen.
Ich hatte noch im Sinn, dass wir doch eigentlich über die Phillips Inlet Bridge sollten. Tatsächlich wurden wir aber bei Kilometer 160 vom Parkway weggeleitet, um kurz vor besagter Brücke, die zu Camp Helen führt, ein Mal über den Parkplatz eines Supermarktes und komplett um das Gebäude zu fahren. Klug vom Veranstalter gelegt, damit wir den Highway kreuzen konnten. Jedoch umständlich zu fahren. Die gute Nachricht war aber, dass wir uns mit dieser Umgehung auf dem direktem Weg Richtung Wechselzone befanden.
Beach Front war das Thema. Etwas seitlicher Rückenwind begleitete uns auf der Front Beach Road. Rechts das strahlend blaue Meer. Ja! So hatte ich mir den Ironman Florida immer vorgestellt. Immerhin waren es noch 20 Kilometer, die wir Athleten mit geschundenen Beinen wenigsten noch etwas genießen konnten. Weißer Sandstrand. Palmen. Manchmal ließen die dicht an dicht gebauten Häuser genau darauf einen Blick zu.
Ab und an konnte man schon von Weitem den tobenden Wind vom Wasser aus wahrnehmen, wenn feine Sandkörner die Luft erfüllten. Ich kam dann immer aus der Aerohaltung. Meist zurecht. Dem Druck des Windes konnte ich so deutlich besser standhalten. Als ich an meinem Springhill Hotel vorbei fuhr, fiel mir ein Stein vom Herzen.
Natürlich wäre ich liebend gern mit dem Fahrstuhl nach oben gefahren. Ich hätte mich auf mein Bett werfen können.
Aber trotz Verletzung und dem anstrengenden Radabschnitt, den ich damit im Kopf bereits als beendet sah, kam mir nie der Gedanke abzubrechen. Das hatte ich mir von Anfang an eingestanden. Es könnte sein, dass ich nach irgendeinem Kilometer nicht mehr konnte. Wenn mir die Schmerzen zu stark werden würden, um sie weiter auszuhalten. Absolut in Ordnung. Jedoch spielte mein Körper mit. Vermutlich war es vielmehr der sture Kopf, der einfach alles ausblendete.
Als nach 179km der Abzweig auf den Thomas Drive auf uns wartete, gab es kurz vor der Kurve nur noch einige Schlaglöcher zu umfahren. Dann hieß es Ausrollen! Bisschen Beine lockern. Aufrecht sitzen. Ich erreichte nach mühsamen 5:53h den Wechselbereich. In meinem Zustand zusammen mit der Kälte und dem Wind kein Weltuntergang. Schön ist aber anders. Ich wusste nur eins. Den Lauf probiere ich auch! Auf jeden Fall.
Da mein Kreislauf nach so einem Abschnitt gern mal sofort in den Schlafmodus fährt, nehme ich meist noch ein Gel kurz vor dem Ausrollen. Das half auch hier wieder einigermaßen bei Sinnen zu bleiben. Also zumindest um abzusteigen, mein Fuji in Helferhände zu geben, meine Windjacke zu öffnen, mit den Radschuhen nicht hinzufallen und meinen zweiten Wechselbeutel von einem weiteren Helfer entgegenzunehmen. Dass nun aber ausgerechnet die Herrenumkleide als erstes folgte…
Wer Schilder lesen kann, ist klar im Vorteil. Oder diese zumindest erst einmal wahrnimmt.
War das morgens auch schon so?! Ich konnte mich nicht erinnern. Ohne die beiden Helfer an der Tür zur Männerumkleide wäre ich geradewegs reinmarschiert! Das Banner und das Schild waren eindeutig viel zu klein für meinen Zustand!
Wie mich mein Weg nach einer kleinen Verschnaufpause im Wechselbereich tatsächlich auf die Laufstrecke führte und wie lang ich tatsächlichen laufen konnte, kannst du im vierten Beitrag meiner Ironman Florida 2019 Serie nachlesen.
Falls du meine anderen Teile verpasst hast, kannst du sie hier nachlesen:
Ironman Florida 2019 – die Tage vor dem Start meiner 4. Langdistanz
Ironman Florida 2019 ins Ziel gebracht
Ironman Florida 2019 Teil I: Expo, Startunterlagen, Wettkampfbesprechung, Bike Check-In
Ironman Florida 2019 Teil II: Der Wettkampfmorgen & das Schwimmen
Ironman Florida 2019 Teil IV: Der Marathon & Zieleinlauf
Weitere Abenteuer rund um Triathlons und Reisen, findest du unter meinem Tag EiswuerfelImSchuh auf Tour.
Den Radabschnitt zeichnete ebenfalls zuverlässig mein Garmin Forerunner 945. Weil mich mein sommerlicher Alè Cycling Tri Suit keinesfalls warm halten konnte, zog ich alles an, was mein dortiger Kleiderschrank hergab, was natürlich auch deutliche Auswirkungen auf meine Wechselzeiten hatte!
Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit dem Tourismusverband Panama City Beach.
Alle hier gezeigten Fotos wurden wie immer von Oliver Eule aufgenommen. Die Rechte an diesen Fotos liegen bei ihm und mir. Eine weitere Nutzung der Fotos ist in Absprache mit uns gerne möglich. Bei interesse schreibt uns bitte eine E-mail um details der Nutzung auf Social Media, Webseiten, Printmedien zu klären.
Als Triathletin & Autorin von Eiswuerfel Im Schuh bin ich zusammen mit meinem Sportfotografen immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung und neuen Bildmotiven. Als Julimädchen liebe ich die Sonne, das Meer und den Sand zwischen den Zehen, genieße aber auch die Ruhe auf meiner Yogamatte oder auf einem Surfbrett.
Liebe Din,
auch diese absolut lebensnahe Beschreibung hat mich total gepackt und mit nach Florida auf „Deine“ Radstrecke genommen. Die fehlenden kompletten Straßensperrungen in anderen Ländern, außerhalb von Europa, finde ich wirklich oft angsteinflößend, umso toller, wie Du es beschrieben hast. Ohne großartig aufzutragen, einfach so, dass ich genau miterleben kann, wie Du Dich gefühlt hast. In jeder Situation. Einfach super geschrieben. Die Bilder dazu… perfekt ausgewählt und natürlich gemacht (ein Lob an den Fotografen, das ist sicherlich auch nicht ganz ohne den ganzen Tag)!
Und dann noch die Männerumkleide… he he… manch einer würde das beim Bericht weglassen, dabei bringt es genau die Auflockerung, die ich nach der spannenden Radrunde nun gebraucht habe um mich -mit Dir- auf den abschließenden Lauf vorzubereiten. Ich bin sehr froh, dass Du Dich offensichtlich entschieden hast, es mit dem Laufen zu versuchen und ich habe auch schon den Bericht mit der Medaille damals gesehen. Jetzt warte ich einfach auf den nächsten Teil der Fortsetzungsgeschichte.
Viele Grüße,
Claudi
Hallo Claudi, die Radstrecke war eigentlich ein Traum. Viel passiert da nicht, aber ich glaube, man kann da echt super unterwegs sein. Das mit den Streckensperrungen ist immer so eine Sache. Ich verstehe, dass man nicht den ganzen Tag 180km lahmlegen kann. Manchmal finde ich es aber auch echt anstrengend als Athletin, wenn man sich nun darum auch noch Gedanken machen muss. Wie ein Jahr zuvor in Florida, als ich Hügel aufwärts in Kolonne fahren musste. In jedem Fall aber toll, dass wir dich so auch mit rund um Panama City mitnehmen konnten. Jetzt habe ich richtig Fernweh.